Die beste Welt: Roman (German Edition)
flüsterte ich. »Weißt du, was da vorgeht?«
»Schwarzelfen«, kam die leise Antwort.
Ich stutzte zunächst, dann schnitt ich eine Grimasse. »Aha. Die bösen Buben.«
»Ja. Sie herrschen bei Nacht über das Land und verschwinden am Morgen unter der Erde. Sie klettern nicht auf unsere Bäume, und wir steigen nicht in ihre Höhlen hinab. Auf diese Weise halten wir halbwegs Frieden.«
»Ich dachte, ihr wärt nur deshalb Elfen geworden, um diesen Konflikt zu beenden.«
Die Hand auf meinem Rücken zitterte, als würde ihr Besitzer sich ausschütten vor Lachen. »Morgen erzähle ich dir alles darüber. Es ist eine gute Geschichte.«
»Wer bist du? Wie erkenne ich dich, wenn es wieder hell ist?«
»Ich bin der Dichter und Sänger unseres Volkes. Über dich kann ich ein wunderbares Lied machen, das spüre ich. Welcher ist der deine?«
Sprunghaftigkeit im Denken und Sprechen waren offenbar typisch für die Elfen, dennoch verstand ich, was er meinte, als ich eine schemenhafte Hand auf den Rest unserer Gruppe deuten sah. Alle waren wach und redeten leise miteinander oder sprachen in ihre Kommunikatoren. »Tarik und Nasiha sind Mann und Frau. Alle anderen – gehören nur sich selbst.«
»Aha.« Wieder hörte ich unterdrücktes Lachen in seiner Stimme und fragte mich zu spät, wie stark die telepathischen und empathischen Fähigkeiten dieser Märchenwesen wohl sein mochten. Ich richtete mich auf und rückte ein wenig ab von diesem seltsamen Elf mit der allzu freundschaftlichen Hand.
»Hier kommen eure Wachen«, bemerkte der Dichter-Sänger, und tatsächlich kehrten Fergus und Lian zurück.
»Der Alarm hat sie verscheucht«, meldete Fergus. »Da hat jemand einen kleinen mentalen Trick bei uns versucht, kam aber nicht durch.«
Ich berichtete rasch, was ich eben erfahren hatte.
»Das klingt beunruhigend«, sagte Qeturah mit einem Stirnrunzeln in der Stimme. »Erinnern Sie sich an die Legende vom Elfenzauber? Wir sollten möglichst beisammenbleiben und vor jeglicher Einflussnahme von außen auf der Hut sein.«
Nachdem die unmittelbare Gefahr vorüber war, zogen sich die Sadiri bald zurück und gingen zu Bett, wie immer ganz ohne Umstände. Qeturah nahm Lian zu einer Beratung unter vier Augen beiseite. Nach all der Aufregung in den letzten Minuten hatte ich wenig Hoffnung, rasch Schlaf zu finden, und so machte ich mich an Fergus heran. Er war damit beschäftigt, seine Sachen zu verstauen. Ich wurde wie immer höflich ignoriert. Mir war schon seit Längerem klar, dass ich für einen Mann wie Fergus, der jedes überflüssige Wort vermied, ein wandelnder Albtraum sein musste.
»Ich wundere mich ein wenig …«, begann ich, so langsam und bedächtig, wie er selbst zu sprechen pflegte, um ihn ja nicht zu erschrecken oder ihm lästig zu fallen. »… über einige von den taSadiri-Gruppen, die wir kennengelernt haben. Die mentalen Disziplinen nicht zu praktizieren ist eine Sache, aber sie kommen mir geradezu … unzivilisiert vor.«
Eine Pause trat ein, er hielt in seiner Arbeit inne. »Soll das ein Scherz sein?«, fragte er endlich. Es klang abweisend.
Ich war verblüfft. »Nein. Was habe ich denn gesagt?«
»Heutzutage gibt es alle möglichen Verfahren, um kriminelle Elemente zu resozialisieren, aber was haben die Sadiri wohl früher mit ihren Verbrechern gemacht?«
Das verschlug mir die Sprache. Ich war noch nie auf die Idee gekommen, dass ein Sadiri ein Rechtsbrecher sein könnte. Das Klischee vom Sadiri als souveränem Richter war so omnipräsent, dass es selbst in meinem Denken tief verwurzelt war.
»Sie wurden möglichst schnell und möglichst weit von ihrem Planeten weggeschafft. Viele sogenannte wissenschaftliche Außenposten und religiöse Gemeinschaften waren nichts anderes als Müllhalden für Unerwünschte, die sich nicht in die Gesellschaft einfügten. Ironischerweise war das letztlich ein Glück. Schade, dass die Demografie nicht passt.«
Ich ließ ganz langsam den Atem ausströmen. »Wollen Sie behaupten, dass unter den Sadiri, die überlebt haben, nicht nur Diplomaten und Richter, Piloten und Wissenschaftler, Nonnen und Mönche, sondern auch … Galgenvögel sind?«
»Genau. Eigentlich zum Lachen, nicht wahr?«
Ich kam mir einigermaßen töricht vor. Zwar war mein Spezialgebiet die cygnische Kultur und Sprache, aber ich hatte mir in den letzten Monaten viel darauf zugutegehalten, mehr oder weniger zum Experten für Sadiri-Angelegenheiten geworden zu sein. »Woher wissen Sie denn das alles?«,
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