Die beste Welt: Roman (German Edition)
Sie es wirklich für nötig halten«, seufzte sie. »Ich halte es allerdings für Zeitverschwendung.«
»Sie könnten ja mitkommen«, schlug ich vor. »Je mehr objektive Zeugen, desto besser.«
»Ich bin kein großer Freund der Neo-Oper«, wehrte sie ab und verzog das Gesicht, »und ich sehe nicht ein, wozu ich mich quälen soll. Sie können mich ja rufen, wenn etwas passiert.«
Lian blieb bei ihr, aber sie gestattete uns, Fergus mitzunehmen. Tarik erklärte, er habe keine Lust, sich das ganze Stück noch einmal anzusehen, und als Joral das hörte, war er sofort bereit, ebenfalls im Hotel zu bleiben. Ich hatte nichts dagegen. Mir genügte die Truppe, die man mir zugestanden hatte. Die anderen kamen immerhin am Abend in die Lobby des Hotels, um sich von uns zu verabschieden.
»Hübsches Kleid«, bemerkte Lian mit weit hochgezogenen Augenbrauen. »Und wie ich sehe, haben Sie auch wieder zum Kajal gegriffen.«
»Nasiha hat darauf bestanden, dass wir Plätze in der ersten Reihe nehmen. Da muss man sich schon etwas mehr Mühe geben.« Ich zupfte verschämt am Saum meines knielangen saphirblauen Kleides herum. »Ha! Sehen Sie?«
Auch die anderen hatten sich dem Anlass entsprechend gekleidet. Ich bin kein Modepüppchen, aber weiß es zu schätzen, wenn jemand einen Stil findet, der zu ihm passt. Nasiha sah in ihrem schlichten, bodenlangen burgunderroten Kleid mit hoher Taille und langen Ärmeln umwerfend aus. Fergus und Dllenahkh brauchten sich ihr nur anzupassen und hatten dafür traditionelles Schwarz gewählt: Dllenahkh sah blendend aus in seinem Hemd mit Stehkragen unter einem hüftlangen Uniformrock mit passender Hose; Fergus hatte sich für ein ähnliches Hemd entschieden, aber mit einer kurzen Jacke, die seine enge Hose auffallend gut zur Geltung brachte.
Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete, als wir – Nasiha zu meiner Linken, Dllenahkh zu meiner Rechten, Fergus neben Dllenahkh – unsere Plätze einnahmen. Nasiha ahnte wohl, wie beklommen ich war, denn sie sagte: »Delarua, Sie brauchen nichts weiter zu tun, als sich zu entspannen. Alles andere übernehmen wir.«
Ich nickte, atmete tief ein und begann mit den Entspannungsübungen, die sie mir beigebracht hatte. Um mich besser konzentrieren zu können, schloss ich die Augen. Ich spürte, wie sie mit der flachen Hand kurz mein Gesicht berührte und wie Dllenahkh ihrem Beispiel folgte. Dann murmelte sie: »Ihr Unterbewusstsein nimmt uns verschwommen wahr. Sehr seltsam. Ich nehme an, Dllenahkh ist der Elefant, demnach müsste ich die Katze sein.«
Ich musste lachen. »Ich hatte nicht darüber nachgedacht, aber Sie haben recht, so sehe ich Sie in meiner Vorstellung.«
Nach einer Weile sagte sie: »Das ist höchst sonderbar. Dllenahkh, Sie sind gestern doch zum ersten Mal in Delaruas Bewusstsein eingedrungen? Ich stelle nämlich Beziehungen fest, die auf eine sehr viel intensivere Bindung schließen lassen, als sie mit einer einzigen einseitigen Kontaktierung zu erreichen wäre.«
»Pst!« Dllenahkhs Stimme klang gepresst. »Das Orchester setzt ein.«
Ich war erleichtert, dass er mir das Sprechen abnahm, denn jedes Mal, wenn unser Aufenthalt bei den Adepten erwähnt wurde, reagierte ich mit einem unkontrollierbaren Kieferkrampf.
Bis zur Pause und darüber hinaus verlief die Aufführung ohne Zwischenfälle. Gegen Ende des zweiten Aktes beugte ich mich ein wenig vor und suchte eifrig nach irgendeinem Beweis dafür, dass wir nicht verrückt waren. Aber Canio spielte lediglich mit Begeisterung seine Rolle, nicht mehr. Neddas Darbietung war von wechselnder Qualität, aber von Leidenschaft getragen. Ich konzentrierte mich auf die anderen Personen: Silvio, Taddeo, willkürlich ausgewählte Choristen. Ich fand nichts Ungewöhnliches, außer dass Taddeo im Vergleich zum Vortag etwas lustlos wirkte. Ich runzelte die Stirn. Es würde nichts passieren. Ich wusste nicht, ob ich enttäuscht oder erleichtert sein sollte.
»Es ist das Messer«, flüsterte Nasiha plötzlich.
»So ist es«, bestätigte Dllenahkh.
Ich begriff nicht gleich, doch dann kam die Erkenntnis und verdichtete sich zu einem grauenvollen Bild. »Das Messer!«, schrie ich. »Nicht zustechen! Es ist echt!«
Ich sprang auf. Ich konnte nicht erwarten, dass jemand mein Geschrei ernst nehmen würde. Dies war eine Wanderbühne; da waren Rufe wie: »Pass auf! Hinter dir!« vermutlich an der Tagesordnung, wenn auch nicht unbedingt erwünscht. Canio war ein echter Profi. Ohne mit der Wimper zu zucken,
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