Die beste Welt: Roman (German Edition)
mich zusammen und betrat das grüne Zimmer mit gesenktem Kopf wie eine Schwerverbrecherin. Als ich endlich doch einen kurzen Blick auf meine Kollegen riskierte, bereute ich es fast, denn ich konnte das Kichern kaum unterdrücken. Jorals Blick war unverwandt zur Decke gerichtet, Tarik starrte blind auf den Boden, und Fergus stand mit offenem Mund da und glotzte. Dllenahkh … ich schlug die Augen nieder, bevor ich Zeit hatte, zu ihm hinzusehen.
»Mein Kleid war kaputt«, erklärte ich dem Fußboden zu meiner Verteidigung.
»Natürlich«, griff Qeturah geschickt ein, »sehr freundlich, dass man Ihnen für den Heimweg etwas zum Anziehen gegeben hat.«
Hinter ihr prustete Lian unüberhörbar los.
»Wenn mir jemand einen Mantel leihen könnte«, sagte ich, ganz gekränkte Würde.
»Es ist ein warmer Abend«, bemerkte Dllenahkh scheinheilig. »Glauben Sie wirklich, dass Sie einen Mantel brauchen?«
Jetzt war das Maß voll. Ich hob den Kopf, ging auf ihn zu und blieb erst dreißig Zentimeter vor ihm stehen, trat ihm also nach sadirischem Empfinden viel zu nahe. Alle verstummten; das Lächeln auf den Gesichtern wurde unsicher und verblasste.
»Sagen Sie es mir«, verlangte ich zähneknirschend.
Er senkte den Kopf wie ein reuiger Sünder, aber damit nicht genug. Er knöpfte seinen Uniformrock auf, zog ihn aus und legte ihn mir fürsorglich um die Schultern.
»Danke«, sagte ich und nahm die Zähne wieder auseinander.
Lian stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich bin nicht dick, und ich kann auch nicht singen, aber meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir jetzt bitte gehen? La commedia è finita .«
Ein Jahr, fünf Monate und vier Tage nach der Stunde null
Als er an diesem Abend einschlief, dachte er mit einem Lächeln an Delarua, die so bezaubernd erschrocken war, als sie die Verführerin in sich entdeckt hatte, aber dennoch nicht davor zurückgewichen war. Solche Bilder hätten zu schöneren Träumen führen sollen, aber das jüngste Drama hatte andere, düstere Erinnerungen geweckt, die sich nicht verdrängen ließen.
Die Albträume ließen nicht lange auf sich warten.
Er saß auf einem Berg und schaute auf einen vertrauten Ort hinab. In diesem Dorf hatte er einmal gewohnt: Trauben von hellen, glatten Wohnkuppeln, verbunden durch ein Netz von vielfach gewundenen Straßen; grau-grünes Land unter blauem Himmel. Es war nicht der Ort, an dem er zuletzt, aber der, an dem er am längsten gelebt hatte, und die Ereignisse, die ihn zwangen, von dort wegzugehen, hatten ihm zum ersten Mal gezeigt, wie schnell und vollständig ein ganz normales Leben in die Brüche gehen kann.
»Wie fühlt sich das jetzt an?« Ein kleiner Savannenhund saß neben ihm und schickte die Frage mit einer Klarheit in sein Bewusstsein, wie es nur im Traum möglich war. Die traurigen Augen des Tieres ruhten mit leiser Besorgnis auf ihm, während es auf eine Antwort wartete.
»Es ist leer«, sagte er zögernd. »Niemand ist dort mehr am Leben. Nur Gespenster klopfen an meine Seele.«
Schon beschlich ihn eine dumpfe Angst, er ahnte, dass der Traum gleich eine schreckliche Wendung nehmen würde. Tatsächlich färbte sich ein Teil des Himmels schwarz – kein Unwetter, sondern tödliches Gift, das wie Tinte durch die Atmosphäre brodelte und sie verschmutzte.
»Sie sind doch schon tot«, rief er empört. »Wozu muss das jetzt noch sein?«
Der Hund kletterte den Hang hinauf. »Wenn ich du wäre, würde ich von hier verschwinden«, winselte er und sah voll Grauen zu, wie der Himmel immer weiter zerfressen wurde. Er rutschte zurück, zögerte, und flüchtete schließlich hinter Dllenahkh ins hohe Gras.
»Warte!«, rief Dllenahkh und stand hastig auf.
Der Berg zerfiel ihm unter den Füßen, aber das erzeugte nur eine verständliche Furcht. Der wahre Albtraum war der Schein der Sterne, der durch die wachsende Finsternis drang, ein Licht, wie es nur auf leblose Monde fällt.
»Es ist aus und vorbei«, beteuerte er dem Traum und sich selbst. Die unbewohnten Häuser und die leeren Straßen verschwanden in ewiger Dämmerung. Er konnte den Blick nicht von ihnen lösen, obwohl ihm die Füße wegrutschten und er die Hände vergeblich in das lose Erdreich und das trockene Gras krallte, um nicht zu fallen, ins Nichts zu fallen, in alle Ewigkeit zu fallen.
»Wachen Sie auf, Ratsherr.«
Tariks Hand auf seiner Schulter war wie ein rettender Anker. Langsam richtete sich Dllenahkh auf und kämpfte sich von den Resten des Traumes frei. »Was gibt es,
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