Die beste Welt: Roman (German Edition)
damit er mich einholen konnte, aber ich blieb nicht stehen und sah mich auch nicht nach ihm um.
»Was sage ich dem Ratsherrn?«, keuchte er.
»Sie berichten ihm alles. Alles.« Ich hielt kurz inne, ließ den Kopf hängen und gestand: »Es tut mir leid, dass wir nicht gründlicher recherchiert haben, bevor wir hierherkamen. Der Besuch ist reine Zeitverschwendung.«
»Delarua!«
Es war außer unter Drogeneinfluss das erste Mal überhaupt, dass er mich mit meinem Namen und ohne meinen Titel angesprochen hatte, deshalb horchte ich auf und sah ihm in die Augen.
»Sie können doch sich nicht die Schuld daran geben. Wir wollen jeden, aber auch wirklich jeden Teil unserer Kultur ausfindig machen, der überlebt hat. Wir haben vieles für die Zukunft gelernt, welches die besten Strategien zur Erhaltung und Weiterentwicklung unserer Gesellschaft sind, aber auch, wovor man sich hüten muss. Dafür sind wir aufrichtig dankbar.«
Jorals Ernsthaftigkeit war so liebenswert, dass ich nicht zum ersten Mal den Wunsch verspürte, ihn in die Arme zu schließen. Ich hielt mich jedoch zurück und begnügte mich mit einem halben Lächeln und einem Schulterklopfen. Dann eilten wir weiter, um unseren jeweiligen Vorgesetzten Bericht zu erstatten.
Bei ihm verlief das Gespräch vielleicht um einiges offener als bei mir, war aber sicher auf seine Weise schwierig. Qeturah hörte sich an, was ich zu sagen hatte, dann nahm ihr Gesicht den gleichen Ausdruck an, den Fergus bei mir bemängelt hatte: Offensichtlich wog sie das Für und Wider eines Eingreifens ab, versuchte nicht nur herauszufinden, was richtig, sondern was möglich war. Sie trat ans Fenster und schaute kurz hinaus, dann ging sie langsam im Zimmer auf und ab.
»Sie sind sich sicher darüber im Klaren«, begann sie streng und warf mir über die Schulter einen vorwurfsvollen Blick zu, »dass die ungenehmigte Beschaffung und Untersuchung von genetischem Material strafbar ist.«
Das wusste ich. Und ich hatte es auch gewusst, als ich es getan hatte. Ich schwieg.
»Und außer der Aussage eines einzigen Mannes haben Sie keinen stichhaltigen Beweis.«
»Die Ergebnisse der Analyse …«, begann ich und breitete flehentlich die Arme aus.
»Beweisen nur, dass hier ein unschönes, auf dem Phänotyp basierendes Klassensystem vorliegt«, unterbrach sie mich, hielt vor mir kurz inne und setzte dann ihre sorgenvolle Wanderung fort. »In manchen cygnischen Gesellschaften ist das so. Das macht sie zwar nicht sympathisch, aber auch nicht zwangsläufig zu Verbrechern.«
»Qeturah«, meine Stimme bekam einen einschmeichelnden Ton, »ich glaube, hier wird eine Grenze überschritten.«
»Solange der Menschenhandel nicht bewiesen ist, können wir allenfalls einen Bericht vorlegen und es der Zentralregierung überlassen, zu gegebener Zeit zu entscheiden, ob eine Untersuchung angebracht ist«, erklärte sie. Vernünftig, korrekt und enttäuschend.
»Qeturah …«
»Grace! Sehen Sie sich die Kolonie doch an. Sie wird nicht umsonst unbesiegbar genannt.« Sie ließ sich in einen Sessel sinken, als wäre sie körperlich und geistig erschöpft, weil alle Wege in einer Sackgasse mündeten.
Mir sank der Mut. Ich hatte bisher meinen letzten Trumpf zurückgehalten, mit dem ich die herrschende Klasse von Kir’tahsg vernichten konnte. Nun blieb mir nichts anderes übrig, als ihn auszuspielen.
»Ich habe einen Beweis für eine kriminelle Handlung«, sagte ich leise.
Sie zuckte zusammen. »Warum haben Sie das nicht gleich …? Ach so. Ein Beweis auf der Basis des illegal beschafften Materials. Damit können wir nicht viel anfangen.«
»Solche Beweise sind zulässig, wenn das Verbrechen schwer genug ist und dem Beamten, der den Beweis erbracht hat, einen entsprechender Verweis erteilt wurde. Sie hatten doch sicherlich nicht vor, mir den Verfahrensfehler durchgehen zu lassen?«
Qeturah richtete sich auf. Wahrscheinlich fand sie meinen Gesichtsausdruck allmählich beunruhigend. Mir selbst ging es nicht anders, meinen eigenen Gesichtsmuskeln war dieser Ausdruck fremd – eine Mischung aus Zorn, Verachtung und grimmiger Entschlossenheit. Die Entschlossenheit der Todgeweihten.
»Die Analyse beweist, dass der Herrscher von Kir’tahsg der biologische Erzeuger von mehr als zehn Prozent der Domestiken seines Hauses ist«, erklärte ich sachlich. »Der Thronfolger, der noch jung ist, konnte die Dienerschar bisher nur um zwei Nachkommen vermehren. Genaue Zahlen kann ich Ihnen nicht liefern. Einige
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