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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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depressiv wurden und ihre Medikamente brauchten.
    Ich ziehe das Handy aus der Tasche und halte es ihr entgegen.
    »Ah«, sagt sie leichthin. »Danke.«
    Als sie es nimmt, berühren sich unsere Finger, und ich bekomme einen kleinen Schlag. Sie legt das Handy achtlos auf einen Stapel Umzugskartons, der neben der Tür steht. Ich nutze den Moment, um einen Blick in die Wohnung zu werfen. Der Flur sieht kahl aus. Entweder sie ist Spartanerin oder gerade eingezogen oder zieht gerade aus, oder sie wurde ausgeraubt, oder es wurde gepfändet oder …
    »Wolltest du nicht ein Interview machen?«, fragt sie.
    »Doch, aber …«, ich deute auf das Handy, »ich dachte, du brauchst das Ding vielleicht.«
    »Eigentlich nicht.«
    »Ah«, sage ich, und dann fällt mir nichts mehr ein. Wir gucken uns wieder an. »Wieso nicht?«
    Scheint eine schwierige Frage zu sein, denn sie denkt darüber nach und mustert mich. Schließlich atmet sie tief durch die Nase ein und wirkt, als wäre sie zu einer Entscheidung gekommen.
    »Hast du Hunger?«
    »Ja«, lüge ich.
    Sie verschwindet in der Wohnung und kommt wenig später ohne Handtuch, dafür mit einer Sommerjacke und einer Sonnenbrille wieder.
    Die Domplatte ist voller Menschen, die den Feiertag und das gute Wetter nutzen, um sich vor den Dom zu stellen, »Wow« zu sagen und diesen magischen Augenblick mit fünftausend Fotos zu manifestieren.
    »Das war großartig«, sage ich und lehne mich zurück. Wir sitzen vor einem Café in der Sonne und genießen die Nachwehen von erstklassigem Gulasch.
    »Gulasch«, sagt sie, »direkt von Muttern.« Sie lehnt sich ebenfalls zurück und seufzt wohlig. »Der Fisch ist ebenfalls großartig.«
    »Dein Lieblingsrestaurant?«
    »War es mal«, sagt sie und schaut zum Dom rüber.
    »Ah«, sage ich und wüsste schon, was ich fragen könnte. Mir ist nur nicht klar, ob ich schon wieder in ein Fettnäpfchen treten möchte.
    »Bist du wirklich in mich verliebt?«, fragt sie wie nebenbei.
    »Yep.«
    »Aber du …« Sie streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und schaut mir kurz in die Augen, was mein Magen mit Freitod quittiert. »Du wirkst so entspannt. Wenn ich verliebt bin, bin ich ein bisschen aufgeregter, glaube ich.«
    »Na ja, ich hab mir den ganzen Morgen die Haare gerauft und rumgestöhnt, jetzt reiße ich mich zusammen.«
    Sie lacht nicht. Eigentlich reagiert sie gar nicht. Sie mustert mich nur aufmerksam. So müssen sich die Meeresorganismen gefühlt haben, als Jacques Cousteau sie im Mikroskop betrachtete.
    »Du bist sicher, dass das keine Masche ist?«
    »Du meinst, um Frauen kennenzulernen?«, frage ich.
    Sie mustert mich bloß mit diesem undurchsichtigen Blick. Gott, ich hasse es, wenn Leute mir unterstellen, dass ich lüge.
    »Keine Masche«, sage ich und versuche, ruhig zu bleiben. »Ich scheiße drauf, dass ich verliebt bin, und zwar aus demselben Grund, aus dem das hier nicht mehr dein Lieblingsrestaurant ist. Du warst mit einem falschen Mann hier, und jetzt kannst du diesen Ort nicht mehr genießen? So geht es mir mit Mallorca und Kopenhagen und noch ein paar anderen Orten. So was passiert eben, wenn man sich in Menschen verliebt, die einem nicht guttun und verbrannte Erde hinterlassen, aber ich mache da nicht mehr mit. Ich will, dass meine Beziehungen mich bereichern. Wenn es schon nicht für immer hält, dann will ich hinterher zumindest nicht ein Jahr leiden müssen und nirgends mehr hinkönnen. Ich will durch Beziehungen nichts mehr verlieren. Keine Orte, keine Zeit und keine Menschen.« Ich breite die Hände aus. »Verstehst du? Ich will mich bewusst entscheiden, statt einem diffusen Gefühl zu folgen – also scheiß auf Verliebtheit. Ich bin nicht hier, weil ich in dich verliebt bin, sondern weil du dein Handy vergessen hast und weil es gestern ein schöner Abend war. Und wenn es ein Problem für dich ist, dann sag es einfach, dann bin ich wieder weg, kein Problem.«
    Sie mustert mich regungslos und sagt nichts. Eine Nanosekunde bevor ich aufstehe, lächelt sie.
    »Also, das ist ja wirklich das Interessanteste, das ich seit Langem gehört habe.«
    Ich mustere ihr Gesicht skeptisch, aber sie sieht nicht aus, als würde sie sich lustig machen. Gut, in diesem Gesicht könnte sich auch ein ganzes Ironie-Regiment verstecken, ohne dass ich es entdecken würde.
    »Meinst du das im Ernst? Du wärst die erste Frau, die mich nicht sofort einweisen lassen will, weil ich Verliebtheit ablehne. Seit der Behauptung, die Erde sei ’ne Scheibe,

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