Die Besteigung Des Rum Doodle
sie zu nervös war, sich eines elektrischen Hörgerätes zu bedienen. Und sie war entweder farbenblind oder hatte ein schlechtes Namensgedächtnis. Sie sah nicht sehr hübsch aus, aber, wie Burley sagte, man kann nicht alles haben. Sie hatte den Aufbau der Anrichte im Auftrag des örtlichen Vereins für Heimatkunde untersucht, war aber unglücklicherweise dahinter stecken geblieben. Als Burley sie fand, hatte sie sich bereits zwei Wochen in dieser Lage befunden, weil sie entweder zu schüchtern war, auf sich aufmerksam zu machen, oder zu schwach, um sich Gehör zu verschaffen. Burley hatte sie ganz allein gerettet, und das war zum Wendepunkt in seinem Leben geworden. Er habe damit, so sagte er, endlich seinen Knabentraum verwirklicht, eine Jungfer aus einer Notlage zu erretten. Folglich habe er sich verpflichtet gefühlt, sich in sie zu verlieben, und das hatte er dann auch getan. Sie habe, sagt er, viele bewundernswerte Eigenschaften, die dadurch nicht weniger bewundernswert wurden, dass sie dem flüchtigen Betrachter verborgen blieben. Er selbst könne auch nicht mit Sicherheit sagen, welche Qualitäten das seien, aber das gebe ihm nicht nur das Gefühl des Geheimnisvollen und Abenteuerlichen, sondern sei ihm Beweis für das Besondere an ihnen. Die zarteren Eigenschaften, sagte er, lägen nie offen zutage.
Ich stimmte ihm von Herzen zu. Seine Geschichte, sagte ich, habe mich angerührt und ein Zartgefühl zum Vorschein kommen lassen, das gedankenlose Menschen bei einem Mann von seiner Statur nicht vermuten würden. Es drängte mich, meine Zuneigung für ihn zum Ausdruck zu bringenund die Hoffnung auszusprechen, dass er und seine Braut mich zu Hause besuchen kämen.
Seine Antwort war ein lautes Schnarchen. Der arme Kerl war völlig erschöpft. Ich richtete mich in meiner beengten Lage so bequem ein, wie ich konnte, und verbrachte eine schlaflose Nacht damit, über viele Dinge zu meditieren und mich überdies darauf zu freuen, am folgenden Tag Pong zu entkommen. Trotz der Unbequemlichkeit war es eine der glücklichsten Nächte, die ich je verbracht habe. Die Expedition kam gut voran, wir waren eine geeinte und glückliche Mannschaft, die Träger waren grandios, und ich war bei meinem Freund. Was konnte ein Mann noch verlangen?
8
Von der vorgeschobenen Basis zum Lager 2
A m folgenden Tag gruppierten wir uns neu. Wish hatte eine interessante Eissorte gefunden, die er zum Sieden bringen wollte, und blieb mit Burley, der von den gestrigen Strapazen noch völlig erschöpft und nicht marschfähig war, in der vorgeschobenen Basis. Constant und ich wollten die nicht eingesetzten Träger zum Basislager führen und tags darauf zurückkehren. Jungle sollte versuchen, Lager 1 in 27 000 Fuß Höhe zu errichten, und Shute sollte, nachdem er Filmaufnahmen von den abmarschierenden Gruppen gemacht hatte, Jungle folgen.
Shute war seit dem Morgengrauen auf den Beinen und machte sich an seinem Apparat zu schaffen, der aber noch nicht einsatzbereit war, als Jungle startete, und auch eine Stunde später nicht, als Jungle noch einmal losmarschierte, weil er zuvor im Kreis gegangen war. Ich registrierte, dass keiner das Verhalten des anderen kommentierte, und konnte nur hoffen, dass dies kein Anzeichen für Höhen-Trägheit war. Als Jungle Shute zum zweiten Mal passierte, murmelte er etwas von »nur den Kompass tarieren«, während Shute die Kurbel drehte, als ob er tatsächlich Aufnahmen mache. Ich hoffte, dies habe nicht zu bedeuten, dass sie einander hinters Licht zu führen versuchten, war aber zu sehr mit meinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, um der Sache mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Als wir zum Abmarsch bereitwaren, zögerten Constant und ich unseren Aufbruch so lange wie möglich hinaus, um Shute geeignetes Material zu liefern, mussten schließlich aber doch ungefilmt abziehen.
Wir erreichten das Basislager ohne besondere Vorkommnisse und trafen dort einen etwas anämischen, aber munteren Prone an. Ich verbrachte den Abend damit, meinen Tagesbericht zu schreiben und meine Socken zu stopfen, während Constant mit den Trägern die Vorkehrungen für die Verlegung des Lagers besprach und mir anschließend versicherte, alles sei ganz genau verstanden worden. Frohgemut legten wir uns zur Ruhe. In seiner üblichen Selbstlosigkeit lehnte Prone es ab, das Zelt mit mir zu teilen. Constant und ich, so sagte er, die wir zusammen klettern würden, dürften nicht getrennt werden. Constant war durchaus bereit, mich für eine Nacht
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