Die Besteigung Des Rum Doodle
war das alles einfach zu viel für mich. Ohne Abendbrot kroch ich in meinen Schlafsack und schluchzte mich in den Schlaf.
*
Als ich am nächsten Morgen erwachte, saß Constant aufrecht in seinem Schlafsack und machte ein langes Gesicht.
»Sie sind fort!«, sagte er.
»Soll das heißen …?«, stieß ich hervor.
Er nickte.
»Erzählen Sie«, bat ich.
Sein ganzer Körper wurde von einem tiefen, herzzerreißenden Seufzer erschüttert. Sein Mund öffnete sich, und einlanges Stöhnen entrang sich seiner gequälten Brust, als er sich mühte, von dem Grauenhaften zu sprechen.
»Verraten!«, stöhnte er.
»Soll das heißen …?«, sagte ich.
Er nickte.
Es war fürchterlich.
Allmählich gelang es mir, ihn zu beruhigen, und als die freundliche Sonne am Himmel aufstieg und unser kleines Zelt wärmte, schöpfte er Mut. Noch einmal schrie er auf, als der Schatten des herumstreifenden Pong auf unser Zeltdach fiel, aber bald gewann mannhafte Stärke wieder die Oberhand, und er berichtete mir mit einer Stimme, deren Sanftheit unendlich ergreifend war.
Jungle und Wish waren vor Sonnenaufgang davongekrochen und den Berg hinaufgeflohen. Shute war kurz darauf nach Lager 1 aufgebrochen.
*
Den ganzen Tag lang lagen wir in unseren Schlafsäcken; jeder wurde mit der Krise auf seine Art fertig. Gegen Abend sprach Constant. »Morgen«, so sagte er, »gehe ich hinunter zum Lager 1.«
Ich nickte. Es war unvermeidlich. Ich drehte mich um und schlief ein.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war er verschwunden. Ich war nicht enttäuscht, ja es interessierte mich kaum. Das war das Ende: das Ende größter Anstrengungen, das Ende der Kameradschaft, das Ende der Träume, das Ende des Lebens. Ich stand an der Schwelle zum unendlichen Nichts. Ohne Seufzer, ohne Blick zurück, resigniert, ja dankbar überschritt ich die Schwelle.
*
Jemand schlug mir auf äußerst unangenehme Weise ins Gesicht. Eine ungeduldige Stimme rief: »Binder, alter Narr, wachen Sie auf!«
Ich erwachte, öffnete die Augen und blickte um mich.
Ich lag auf dem Rücken im Schnee, im hellen, blendenden Tageslicht, und Shute beugte sich über mich.
»Wo bin ich?«, fragte ich.
»Was denken Sie denn, wo Sie sind?«, fragte er.
Eine Zeitlang überlegte ich.
»Ich glaubte, ich wäre im Himmel«, sagte ich.
Er brüllte vor Lachen. »Hört mal, Leute, Binder glaubt, er sei im Himmel.«
Mehr Gelächter. Ich sah mich um. Wish war da, auch Jungle und, auf einer Kiste sitzend, der sehr erschöpft aussehende Constant.
Und hinter ihnen standen mehrere Träger, darunter So Lo, Lo Too und Pong, und spähten nach mir.
Dann sah ich die Zelte und fand die Orientierung wieder. Ich war im Lager 2. Constant und ich waren gerade zum zweiten Mal aus der vorgeschobenen Basis angekommen und hatten die anderen hier vorgefunden. Ich musste eingeschlafen sein. Das Übrige war ein Traum gewesen.
10
Höher als der Everest
N ach einer Mahlzeit, die besser unbeschrieben bleibt, zwängten wir uns in ein kleines Zelt, um unsere weiteren Pläne zu besprechen. Die Frage lautete: Was sollte mit Pong geschehen? Mehrere Vorschläge wurden unterbreitet, aber keiner war gleichzeitig praktikabel und human. Wish fasste es auf seine präzise Art zusammen, indem er sagte, wir müssten Pong als eine der Gefahren des Berges akzeptieren und entsprechend planen.
Constant sagte, er und ich hätten Pong vier Tage ertragen, jetzt seien andere dran. Wish sagte, im Prinzip stimme er völlig damit überein, wir müssten nur sehen, was sich in der Praxis daraus ergebe. Wir sollten von der Annahme ausgehen, dass Pong sich, sobald wir uns trennten, der größeren Truppe anschließen würde, um so den größtmöglichen Schaden anzurichten. Er könne jedoch durch einen einfachen Schachzug daran gehindert werden. Wir waren nun zu fünft. Am Morgen würden zwei aufbrechen, um Lager 3 zu errichten, so dass drei Mann in Lager 2 verblieben. Pong würde natürlich bei diesen drei bleiben. Kurz darauf jedoch würde einer der drei entweder nach Lager 3 aufbrechen oder ins Lager 1 zurückkehren. Wiederum würde Pong bei der Mehrheit bleiben. Später würden die beiden Verbliebenen sich trennen, so dass nur ein Einziger in Pongs Einflusssphäre verblieb.
»Ist das nicht ziemlich hart für den letzten Mann?«, fragte ich.
»Es ist ja nur für kurze Zeit«, versicherte mir Wish. »Später können wir den Umständen entsprechend tauschen. Also einverstanden?«
Constant und ich blickten uns zweifelnd an. Shute und
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