Die Besteigung Des Rum Doodle
miteinander.
Binnen kurzem war ich erschöpft und hatte jede Hoffnung auf mein Überleben schon fast aufgegeben, als Constant plötzlich innehielt und schwer keuchend liegen blieb. Als wir wieder zu Atem und Vernunft gekommen waren, entschuldigte ich mich erneut, und wir versuchten, uns voneinander zu befreien. Das war allerdings nicht so einfach wie erwartet. Wir waren in einer komplizierten Umarmung verschlungen und steckten zudem zur Hälfte noch in unseren Schlafsäcken, um die sich Seile und Kleidungsstücke gewickelt hatten. Es war stockfinster. Mitten im Entwirren des Knäuels schlief ich im Sitzen ein. Schreiend wachte ich auf, weil ich mir einredete, das Seil sei eine Schlange, die mich zu erdrosseln versuchte. Verzweifelt kämpfte ich gegen das Seil und machte so das Wirrwarr nur noch zehnmal schlimmer, bevor ich wieder zur Besinnung kam.
Wieder machten wir uns an die Arbeit, konnten aber einer dem anderen irgendwie nie so recht klarmachen, was wir vorhatten. Manchmal zogen wir in entgegengesetzten Richtungenam selben Stück Seil, manchmal rollten wir um die eigene Achse und verknoteten uns mit den Beinen, dann wieder führten wir beide zugleich einen kühnen Befreiungsschlag aus und trafen einander aufs Auge. Und ständig fehlte uns der Atem. Alle paar Minuten bekam einer von uns entweder einen Krampf oder Magenschmerzen und wand sich in schrecklichen Qualen, wodurch alles noch viel verworrener wurde. Immer wieder schliefen wir ein, immer wieder schreckten wir in panischer Angst aus den scheußlichsten Albträumen hoch.
Schließlich fiel das Zelt über uns zusammen.
Danach gaben wir es auf. Wir blieben einfach, wo wir waren, und warteten auf den Anbruch des Tages. Sobald es hell genug war, um etwas sehen zu können, steckten wir unsere Köpfe irgendwie ins Freie und sahen einander an.
»So kann es nicht weitergehen«, sagte Constant.
Das erschien mir sehr treffend formuliert. Um jeden Preis mussten wir nach unten ins Lager 1 gelangen.
Aber zuvor mussten wir aus dem Zelt herauskommen, kein leichtes Unterfangen in 29 000 Fuß Höhe. Nach wenigen Augenblicken des Kampfes mussten wir innehalten, um Atem zu schöpfen. Unsere Hände waren eiskalt, wir mussten Handschuhe anziehen, und das machte das Entwirren so gut wie unmöglich. Es gab einen Augenblick, als ich beinahe verzweifelt aufgegeben hätte. Da lag ich, nach Luft japsend, auf meinem Kopf saß Constant, meine Arme waren durch das Seil hinter meinem Rücken gefesselt, und meine Beine waren in den Schlafsack und das Zelt verwickelt. Zum dritten Mal sah ich mich der Niederlage gegenüber. War der Berg doch übermächtig?
Zu allem Überfluss kam jetzt Pong mit dem Frühstück.
Nach heftigem, mannhaften Kampf mit dem Brechreiz schickte Constant Pong nach So Lo und Lo Too aus. Balddarauf hatten sie uns in der Mangel, und nach einer Weile, die mir wie eine Ewigkeit erschien, waren wir wieder freie Menschen.
Wir wiesen die Träger an, unser Zelt wieder aufzubauen, und zogen uns in ihr Zelt zurück. Dort brauchten wir zunächst eine gewisse Zeit, um unsere Stiefel zu kochen und sie auf diese Weise aufzutauen. Pong kam mit dem Frühstück hinterher. Es bestand aus den aufgewärmten Resten des gestrigen Tages, nur waren sie noch schlimmer, weil angebrannt. Wir hielten uns die Nase zu, schlossen die Augen und würgten ein paar Löffel voll hinunter, wobei wir uns gegenseitig daran erinnerten, dass es um des Wohl der Expedition ging. Dann nahmen wir Magentabletten ein und machten Pläne. Sie waren einfach. Wir mussten so bald wie möglich Lager 1 erreichen, um die Last Pong auf so viele Schultern wie möglich zu verteilen.
Über Funk erreichten wir die anderen und teilten mit, dass sie uns erwarten sollten. Von Pong sagten wir nichts, denn wir fürchteten andernfalls eine Panik am Berg. Jungle sagte mir, sie würden auf uns warten. Burley habe sich gerade akklimatisiert, denke aber, dass ein weiterer Tag im Lager 1 seinen Zustand stabilisieren werde. Auch die anderen glaubten, ein zusätzlicher Ruhetag werde ihnen guttun.
Wir brachen zeitig auf. Unsere nassen Stiefel verwandelten sich sofort in Eisklumpen. Sofern kein Temperaturanstieg eintrat, würde man sie nur durch eine Amputation von uns trennen können. Wir fielen ständig und überall hin, manchmal schliefen wir ein, wo wir lagen. Unser Leben wurde am laufenden Band von So Lo und Lo Too gerettet, was ihnen aber schließlich zu viel zu werden schien, denn sie warfen uns oben auf ihre Packen und
Weitere Kostenlose Bücher