Die bestellte Braut
ja nicht mal für nötig gehalten ihr das Mindestmaß an Höflichkeit entgegen zu bringen. Dass er stets auf seine Brüder aufgepasst hatte, gab ihm schließlich nicht das Recht jeden außerhalb dieser Familie schlechte Absichten zu unterstellen. Und nein, es machte ihn auch nicht sympathischer, dass er sich dermaßen um seine Familie sorgte! Überhaupt nicht! Wieso auch? Ihr konnte es sowieso egal sein!
Charlie war kurz vor dem Mittagessen aus Green Hollow zurückgekehrt und hatte berichtet, dass Doc Dave am späten Nachmittag vorbeischauen würde.
„Machen Sie sich keine Sorgen, Miss. Sobald er Ihr Lächeln sieht, kann er gar nicht anders als sie anstellen. Ich hab kein Wort davon gesagt, dass wir Damenbesuch haben. Der alte Dave wird ganz schön Augen machen, wenn er Sie sieht!“
So hatte Charlie versucht ihr Mut zu machen und ihre etwas angeschlagene Laune zu kurieren. Und Steffiney wusste seine Bemühungen durchaus zu schätzen.
Am Nachmittag, früher als gewöhnlich, hatten sich alle Sullivan-Männer in frischen Hemden und mit gewaschenen Gesichtern im Salon eingefunden, um Doc Dave davon zu überzeugen, dass Steffiney O'Brian die Lösung für sein Assistenten-Problem war. Zu Miss O'Brians Überraschung war sogar Luke aufgetaucht. Mit verschränkten Armen lehnte er an dem Pinienholz-Schreibtisch und beobachtete die Szene mit düsterem Blick. Auf Steffiney wirkte er nicht im Geringsten, als würde ihm auch nur irgendetwas von seinen Worten leidtun.
Als sie schließlich eine Kutsche in den Hof fahren hörten, ging Mr. Sullivan höchstpersönlich hinaus, um seinen Gast zu begrüßen. Wenige Augenblicke später kam er mit einem alten Mann an seiner Seite zurück in den Salon, der aussah, als hätte er schon Noahs Familie auf der Arche gute Dienste geleistet.
„Dave, darf ich Dir unseren Gast Miss Steffiney O'Brian vorstellen? Miss O'Brian, das ist Doktor McAbberty“, stellte der Hausherr seine beiden Gäste einander vor.
Auch wenn das kleine Männchen vor Steffiney nicht mehr der Jüngste war, so schien er doch noch äußerst agil. Seine grauen Augen musterten sie eingehend und er ließ ein breites Lächeln sehen, als er ihr die Hand reichte.
„Freut mich, Sie kennenzulernen Missy. Ist ne Schande, dass so ein hübsches Ding wie Sie hier draußen logiert und nicht bei uns in der Stadt“, meinte er dann launig und Steffiney wurde leicht rot, bedankte sich allerdings für das Kompliment.
Während sie begann ringsum Kaffee einzuschenken und zu verteilen, ging Mr. Sullivan zum Angriff über. Er erklärte Doc Dave, dass sein Gast das Kind einer alten Bekannten war und dringend eine Arbeit hier im Westen suchte. Auf Steffineys Wunsch hin hatte man sich geeinigt, nichts von den missglückten Heiratsplänen zu erwähnen und so kam diese kleine Notlüge zustande.
Gerade als sie die letzte Tasse mit Kaffee füllte und zu Luke trug, der sie mit einem überraschten, aber nicht unfreundlichen Dank entgegen nahm, kam Mr. Sullivan zum springenden Punkt in der Geschichte. Dem Vorschlag, dass Doc Dave die junge Frau doch als Helferin in seiner Praxis einstellen sollte.
Vor lauter Aufregung blieb Steffiney wie angewurzelt neben Luke stehen und blickte flehentlich zum Doc hinüber, der sie nun wiederum durch seine funkelnden Brillengläser genauer musterte.
„So so, in einem Krankenhaus in Boston. Missy, sind Sie sich denn überhaupt im Klaren, was auf Sie zukommt? Hier im Westen kann es schon mal hoch hergehen und Schusswunden sind keine Seltenheit. Meine Praxis ist nicht gerade ein Müttergenesungsheim.“
Steffiney hatte mit etwas Ähnlichem gerechnet und bereits die passende Antwort parat.
„Doktor McAbberty, ich kann Ihnen versichern, dass mich weder Schusswunden noch werdende Mütter schrecken. Ich war erst 19 Jahre alt, als ich mich freiwillig als Schwester ans Bostoner Krankenhaus meldete, um dort patriotischen Hilfsdienst zu leisten. Das war 1863 und die Männer, die von den Schlachtfeldern kamen, waren kein schöner Anblick. In den letzten zwei Jahren habe ich sogar ausschließlich als Krankenschwester gearbeitet.“ Sie schaute dem alten Doktor fest in die Augen. Und der nickte beifällig.
„Die Missy kann ihren Mann stehen wie mir scheint, Charles“, sagte er dann zu seinem Gastgeber, der zustimmend nickte.
Charlie grinste breit bei dieser Bemerkung.
„Bloß gut, dass sie nicht wie einer aussieht“, warf er ein und erntete dafür zwei strafende Blicke von seinem Vater und seinem ältesten
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