Die Bestien - Thriller (German Edition)
Wieso, denkst du, hocke ich in diesem Wohnwagen? Ich bin seine Tochter, verflucht noch mal, und er will mich noch nich‘ mal kennen.«
Darlene klang traurig, während sie sprach, und Jim konnte verstehen, weshalb. Sicher, der Chief war ein kaltherziger Scheißkerl, aber er war immer noch ihr Vater.
»Eigentlich wollte er ’nen Sohn«, fuhr Darlene fort. »Das is‘ alles, was diese Typen je wollen. Ein Mädchen kann die Tradition ja nich‘ fortsetzen und auch Chief werden, das kann nur ein Sohn. Dir is‘ vielleicht schon aufgefallen, dass die Männer in dieser Stadt das Sagen haben. So is‘ das hier schon immer gewesen, und der Polizei-Chief war auch schon immer ein Mann. Als Hal dann also mich bekam, war er ziemlich enttäuscht. Er hat mich zwar behalten, aber er hat mich wie ’nen streunenden Hund behandelt, den er irgendwo aufgesammelt hat.« Sie lachte ein kaltes, freudloses Lachen. »Nein, schlimmer. Er liebt seine beiden blöden Hunde mehr als mich.«
»Was ist mit deiner Mom passiert?«
»Sie is‘ gestorben, als ich noch ein Baby war.«
»Das tut mir leid.«
»Das muss es nich‘. Ich hab sie ja nie gekannt, deshalb kann ich sie ja auch nich‘ vermissen, stimmt‘s?«
»Sicher kannst du das. Sie war deine Mom, und ich bin sicher, sie hat dich geliebt.«
Darlene lächelte. Als er den Ausdruck in ihren Augen sah, wusste er, dass ihr, wenn sie hätte weinen können, Tränen über die Wangen geflossen wären. »Weißt du, was ich immer gedacht hab? Wovon ich immer geträumt hab, wenn ich nachts im Bett lag?«
Jim schüttelte den Kopf.
»Dass meine Mom gar nich‘ wirklich gestorben is‘. Dass sie einfach nur genug von dieser beschissenen Stadt hatte und abgehauen is‘, aber weil mein Dad so ein Arschloch is‘, hat er ihr nich‘ erlaubt, mich mitzunehmen. Ich hab immer gedacht, meine Mom wär ’ne starke, wunderschöne Frau, und dass sie die Allererste war, die sich dieser Stadt und meinem Dad widersetzt hat. Ich hab immer gehofft, dass sie irgendwann zurückkommen und mich holen würde. Ich war mir ganz sicher, dass sie kommt. Jetzt weiß ich, dass das nich‘ wahr is‘. Alle in der Stadt sagen, dass sie gestorben is‘, deshalb muss ich mich wohl mit der Wahrheit abfinden. Sie wird nie kommen, um mich zu holen.«
»Vielleicht hast du recht. Vielleicht hat sie die Stadt ja wirklich verlassen und die Leute wollen nur nicht, dass du die Wahrheit erfährst.«
»Wieso is‘ sie dann noch nich‘ zurückgekommen, um mich zu holen?«
Jim seufzte. »Ich weiß es nicht.«
»Tief in meinem Herzen weiß ich, dass sie nich‘ abgehauen is‘. Niemand verlässt diese verdammte Stadt.«
»Genau das verstehe ich nicht. Warum bleiben die Leute hier? Und wenn wir schon dabei sind: Warum lassen die Leute zu, dass hier so schreckliche Dinge passieren?«
Jim wollte hinzufügen: Warum bleibst du hier? Aber er konnte sich die Antwort auch so denken. Es ist fruchtbar schwer für ein Kind, die Familie zu verlassen – selbst wenn diese Familie ein perverser Mörder ist. Und es ist noch schwieriger, wenn der winzige Hoffnungsschimmer darin besteht, dass die Mutter eines Tages kommen und einen holen wird. Wo sollte sie schließlich nach dir suchen, wenn man einfach abhauen würde?
»Ich glaub, du verstehst das nich‘ ganz«, erwiderte Darlene. »Die meisten Leute haben keine Ahnung, was in dieser Stadt vor sich geht.«
»Weil sie lieber für sich bleiben?«
Darlene nickte. »Es is‘ nur eine kleine Gruppe von Leuten, die bei den Jagden und den Partys mitmachen.«
»Partys?«
»In der Hütte. Dahin schaffen sie die Mädchen, die sie per Anhalter mitnehmen, und … du weißt schon … sie machen Sachen mit ihnen. Schlimme Sachen. Widerliche Sachen.«
Jim erinnerte sich an die Matratzen auf dem Hüttenboden, an die Schokoriegelverpackungen und die leeren Limonadendosen. Er bezweifelte, dass die Leute aus der Stadt dort an den Wochenenden lustige Pyjamapartys feierten.
Heilige Scheiße, dachte er, und vor Ekel wurde ihm ganz übel.
»Wer sind diese Mädchen?«
»Manchmal sind es Ausreißerinnen, manchmal ziehen die Männer auch los und kidnappen sie. Und manchmal verirren sich auch Frauen von auswärts in die Stadt, die schleppen sie dann auch in die Hütte – so wie Donnerstagnacht.«
»Was ist denn Donnerstagnacht passiert?«
»Diese Frau und ihre beiden Mädchen sind in die Stadt gekommen und haben einen Platz zum Übernachten gesucht. Genau wie sonst auch haben die Bullen ihr von der Hütte
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