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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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beide Fragen habe ich keine Antwort. Aber der Blick, den sie mir zuwirft, erinnert mich an den Raubtierblick des Hundes im Eignungstest. Sie will mich in Stücke reißen, doch diesmal kann ich mich nicht unterwerfen. Ich bin selbst zu einem Hund geworden, der angreift.
    Mein Herz schlägt bis zum Hals.
    » Ich weiß nicht, warum«, sage ich, » aber von dem Serum, das man mir gespritzt hat, ist mir speiübel geworden. Vielleicht war derjenige, der die Simulation überwacht hat, abgelenkt, weil er dachte, ich müsste mich übergeben, und hat deshalb vergessen, meine Werte aufzuzeichnen. Nach dem Eignungstest ist mir auch schlecht geworden.«
    » Hattest du schon immer einen empfindlichen Magen, Beatrice?«
    Ihre Stimme ist so scharf wie eine Rasierklinge. Ungeduldig trommelt sie mit ihren kurz geschnittenen Fingernägeln auf die gläserne Schreibtischplatte.
    » Ja, schon als Kind«, antworte ich so gelassen wie möglich. Ich lasse die Stuhllehne los, gehe um den Stuhl herum und setze mich. Ich darf nicht zeigen, unter welcher Anspannung ich stehe, obwohl mir ganz flau ist.
    » Du warst in den Simulationen sehr erfolgreich«, stellt Jeanine fest. » Worauf führst du das zurück?«
    » Ich bin mutig«, sage ich forsch.
    Die anderen Fraktionen haben von den Ferox eine vorgefasste Meinung. Demnach sind sie frech, aggressiv und impulsiv. Und arrogant. Ich muss mich so verhalten, wie Jeanine es von mir erwartet.
    » Ich bin in diesem Jahr die beste Initiantin.«
    Ich lümmle mich nach vorn und stütze die Ellbogen auf die Knie. Ich muss dieses Spiel noch weiter treiben, damit es überzeugend wirkt.
    » Sie wollen also wissen, wieso ich zu den Ferox gewechselt bin? Ganz einfach: weil ich mich gelangweilt habe.« Mach weiter so, mach weiter. Man muss beim Lügen vollen Einsatz zeigen. » Ich hatte es satt, ein kleiner, feiger Gutmensch zu sein, ich habe es nicht mehr ausgehalten.«
    » Sehnst du dich nicht nach deinen Eltern?«, fragt sie vorsichtig.
    » Ob ich mich danach sehne, gescholten zu werden, wenn ich in den Spiegel schaue? Ob ich mich danach sehne, dass ich am Esstisch kein Wort sagen darf?« Ich schüttle den Kopf. » Nein, ich sehne mich nicht nach ihnen zurück. Das ist nicht mehr meine Familie.«
    Ich ersticke fast an der Lüge, oder vielleicht ist es auch nur, weil ich gegen Tränen ankämpfen muss. Ich muss daran denken, wie meine Mutter mit einem Kamm und einer Schere hinter mir steht und sanft vor sich hin lächelt, während sie mir die Haare schneidet, und ich möchte lieber losschreien, anstatt ihr so unrecht zu tun.
    » Darf ich also annehmen…«, Jeanine spitzt die Lippen und wartet ein paar Sekunden, ehe sie den Satz zu Ende spricht, » …dass du den Berichten, die über die politischen Führer dieser Stadt veröffentlicht worden sind, zustimmst?«
    Die Berichte, in denen meine Eltern als korrupte, machtgierige, Moral predigende Tyrannen verunglimpft werden? Die Berichte mit ihren verborgenen Drohungen, die auf einen Umsturz abzielen? Mir wird schlecht, wenn ich nur daran denke. Ich würde diese Frau am liebsten erwürgen, ich weiß ja, dass die Berichte von ihr stammen.
    Ich lächle.
    » Ja, von ganzem Herzen.«
    Einer von Jeanines Handlangern, ein Mann in einem Hemd mit blauem Kragen und einer Sonnenbrille, bringt mich in einem silberfarbenen Auto zurück zu den Ferox. So ein Auto habe ich noch nie gesehen. Der Motor läuft beinahe lautlos. Als ich den Mann danach frage, erzählt er mir, dass der Wagen mit Sonnenenergie fährt, und dann erklärt er mir umständlich, wie die Paneele auf dem Autodach das Sonnenlicht in Energie umwandeln. Nach einer Minute höre ich ihm nicht mehr zu und blicke aus dem Fenster.
    Ich weiß nicht, was die Ferox mit mir anstellen werden. Ich ahne nichts Gutes. Im Geiste sehe ich schon meine Beine über dem Abgrund baumeln.
    Als der Fahrer zum Hauptquartier der Ferox abbiegt, steht Eric bereits an der Tür und wartet auf mich. Er fasst mich am Arm und führt mich hinein, ohne ein Wort des Dankes für den Fahrer. Eric hält mich so fest, dass ich bestimmt blaue Flecken davon bekommen werde.
    Er bleibt zwischen mir und der inneren Tür stehen und lässt seine Fingergelenke knacken. Sonst hört man keinen Laut von ihm.
    Mir läuft es kalt über den Rücken.
    Das leise Knacken seiner Gelenke ist alles, was ich höre, abgesehen von meinem Atem, der immer schneller geht. Nach einer Weile verschränkt Eric die Finger.
    » Willkommen zu Hause, Tris.«
    » Hallo, Eric.«
    »

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