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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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um die Knie.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so sitze, mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen, ehe die Tür wieder aufgeht. Vielleicht sind es zwanzig Minuten, vielleicht ist es auch eine Stunde.
    Tobias kommt auf mich zu. Ich stehe auf, verschränke die Arme und warte auf die unvermeidliche Gardinenpredigt. Ich habe ihn geschlagen und mich bei den Ferox in Schwierigkeiten gebracht– das Donnerwetter wird nicht lange auf sich warten lassen.
    » Was ist?«, sage ich.
    » Geht’s dir gut?« Zwischen seinen Augenbrauen ist eine steile Falte. Er fasst mich sanft am Kinn. Ich schlage seine Hand weg.
    » Klar doch«, fauche ich ihn an. » Zuerst werde ich vor allen Leuten zusammengestaucht, dann muss ich ausgerechnet der Frau Rede und Antwort stehen, die meine frühere Fraktion vernichten will, und danach droht Eric, meine Freunde aus der Fraktion zu werfen. Ja, Four, es ist wirklich ein toller Tag.«
    Er schüttelt den Kopf und blickt nach rechts zu einem zerfallenen Haus. Es ist aus Ziegelstein, das glatte Gegenteil des schlanken, gläsernen Turms hinter mir. Es ist garantiert uralt. Heutzutage baut niemand mehr mit Ziegelsteinen.
    » Und überhaupt, was geht dich das an?«, frage ich. » Du kannst entweder ein gnadenloser Ausbilder sein oder mein um mich besorgter Freund.« Bei dem Wort » Freund« zucke ich zusammen. Ich hatte nicht vor, es so schnoddrig zu sagen, aber jetzt ist es zu spät.
    » Ich bin nicht gnadenlos.« Er wirft mir einen finsteren Blick zu. » Ich hab mich heute Morgen doch nur so verhalten, um dich zu schützen. Was, wenn Peter und seine blöden Freunde herausgefunden hätten, dass du und ich…« Er seufzt. » Egal was du auch sagst, sie würden immer behaupten, dass du deine guten Bewertungen meiner Zuneigung und nicht deinem Können zu verdanken hast.«
    Ich mache den Mund auf und will ihm widersprechen, aber ich kann es nicht. Ein paar kluge Anmerkungen fallen mir ein, aber die behalte ich für mich. Denn er hat recht. Meine Wangen beginnen zu glühen und ich kühle sie mit meinen Händen.
    » Aber du hättest mich nicht so beleidigen müssen, um denen etwas zu beweisen«, sage ich schließlich.
    » Und du hättest nicht zu deinem Bruder laufen müssen, nur weil ich dich beleidigt habe.« Er reibt sich über den Nacken. » Außerdem, es hat doch funktioniert, oder?«
    » Auf meine Kosten.«
    » Ich dachte nicht, dass du es dir so zu Herzen nimmst.« Achselzuckend fügt er hinzu: » Manchmal vergesse ich, dass auch du verletzlich bist. Dass ich dich verletzen kann.«
    Ich stecke die Hände in die Hosentaschen und wippe auf meinen Fersen. Ein merkwürdiges Gefühl durchströmt mich– eine süße, sehnsuchtsvolle Schwäche. Was er getan hat, hat er getan, weil er an meine Stärke glaubt.
    Zu Hause war Caleb immer der Starke, er konnte sich selbst verleugnen, und alle Eigenschaften, die meine Eltern geschätzt haben, sind ihm praktisch zugeflogen. So wie Tobias hat noch niemand an meine Stärke geglaubt.
    Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und küsse ihn. Unsere Lippen berühren sich sanft.
    » Du bist wirklich einzigartig, weißt du das?«, sage ich kopfschüttelnd. » Du weißt immer genau, was das Richtige ist.«
    » Aber nur weil ich lange darüber nachgedacht habe.« Er küsst mich leicht. » Ich habe überlegt, wie ich mich verhalten müsste, wenn du und ich…« Er tritt einen Schritt zurück. » Habe ich richtig gehört und du hast mich deinen › Freund ‹ genannt, Tris?«
    » Nicht direkt.« Betont lässig füge ich hinzu: » Wieso? Soll ich?«
    Er streicht zärtlich über mein Gesicht, dann fasst er mit dem Daumen unter mein Kinn und lehnt seine Stirn an meine. Einen Augenblick lang steht er mit geschlossenen Augen da, atmet meinen Atem ein. Ich spüre seinen Herzschlag in seinen Fingerspitzen, höre, wie schnell er atmet. Er scheint nervös zu sein.
    » Ja«, sagt er dann. Aber sein Lächeln erlischt, als er fragt: » Glaubst du, wir haben ihn davon überzeugt, dass du einfach nur ein dummes Mädchen bist?«
    » Ich hoffe es. Manchmal hilft es, wenn man sehr klein ist. Aber ich weiß nicht, ob ich die Ken überzeugt habe.«
    Er sieht mich mit zusammengekniffenem Mund an. » Da ist etwas, was ich dir erzählen muss.«
    » Was denn?«
    » Nicht jetzt.« Er schaut sich um. » Wir treffen uns hier um halb zwölf. Sag niemandem, was du vorhast.«
    Ich nicke, und er geht genauso schnell weg, wie er gekommen ist.
    » Wo hast du den ganzen Tag über gesteckt?«, fragt Christina, als

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