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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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Lediglich die kurze Anspannung seiner Muskeln verrät ihn, als er plötzlich über den Tisch hechtet und Jeanine an die Gurgel geht. Die Wachen an der Tür laufen mit erhobenen Waffen herbei und ich fange an zu schreien.
    Es braucht gleich zwei Ferox, um ihn von Jeanine wegzureißen und zu Boden zu stoßen. Einer von ihnen kniet auf Tobias’ Schultern, hält mit der Hand seinen Kopf fest und drückt sein Gesicht in den Teppich. Ich will Tobias zu Hilfe kommen, aber der andere Soldat schleudert mich gegen die Wand. Ich bin entkräftet vom Blutverlust und viel zu klein, um gegen ihn anzukommen.
    Jeanine klammert sich an den Schreibtisch und holt keuchend Luft. Sie reibt sich den Hals, an dem Tobias’ Finger rote Male hinterlassen haben. Auch wenn sie sich wie eine Maschine benimmt, sie ist immer noch ein Mensch. In ihren Augen stehen Tränen.
    Sie nimmt eine Schachtel aus der Schublade und macht sie auf. Darin liegen eine Spritze und eine Nadel.
    Schwer atmend geht sie damit zu Tobias. Der beißt die Zähne aufeinander und versetzt einer der Wachen mit dem Ellbogen einen Schlag ins Gesicht. Der Mann lässt den Gewehrkolben auf Tobias’ Kopf niedersausen und Jeanine sticht die Nadel in seinen Nacken. Tobias sackt in sich zusammen.
    Ich stoße einen Laut aus, kein Schluchzen, keinen Schrei, sondern ein ersticktes, raues Stöhnen, das nicht von mir, sondern von jemand anderem zu kommen scheint.
    » Lasst ihn los«, sagt Jeanine heiser.
    Der Wachmann steht auf, ebenso Tobias. Er sieht ganz anders aus als die schlafwandelnden Ferox-Soldaten, seine Augen sind hellwach. Er blickt sich kurz um, wirkt aber ein wenig verwirrt.
    » Tobias«, rufe ich. » Tobias!«
    » Er kennt dich nicht«, sagt Jeanine.
    Tobias dreht sich zu mir um. Mit zusammengekniffenen Augen kommt er auf mich zu, und ehe die Wache ihn aufhalten kann, umklammert er schon meinen Hals und drückt mir die Luftröhre ab. Ich ringe nach Atem, mein Gesicht läuft blutrot an.
    » Die Simulation steuert ihn«, erklärt Jeanine gelassen. In meinen Ohren pocht das Blut so laut, dass ich sie kaum höre. » Sie dreht einfach alles um, was er wahrnimmt– und schon verwechselt er Freund und Feind.«
    Eine der Wachen zieht Tobias von mir weg. Ich schnappe keuchend nach Luft.
    Er ist verloren. Von der Simulation gesteuert, wird er ab sofort die Menschen umbringen, die er noch vor drei Minuten als unschuldig bezeichnet hat. Wenn Jeanine ihn getötet hätte– es wäre weniger qualvoll gewesen.
    » Der Vorteil dieser Simulation ist«, sagt sie mit glänzenden Augen, » dass er unabhängig handeln kann. Deshalb ist er viel wirkungsvoller als einer der stumpfsinnigen Soldaten.« Sie betrachtet die Männer, die Tobias festhalten. Er wehrt sich gegen ihren Griff. Seine Muskeln sind angespannt, seine Augen fest auf mich gerichtet, aber er sieht mich nicht, oder besser gesagt, er sieht mich anders als sonst. » Schickt ihn in den Kontrollraum. Wir brauchen jemanden mit Verstand, der die Dinge überwacht, und soweit ich weiß, hat er früher schon dort gearbeitet.«
    Jeanine legt die Hände vor der Brust zusammen. » Und bringt sie in Raum B13.«
    Ein kurzer Wink von ihr– und mein Ende ist besiegelt. Für sie bin ich nur ein weiterer Punkt auf ihrer Liste, den sie abhaken kann. Ohne jede Gefühlsregung sieht sie zu, wie mich die beiden Soldaten aus dem Raum führen.
    Sie zerren mich einen Gang entlang. Innerlich fühle ich mich ganz taub, aber äußerlich bin ich ein schreiendes, wild um sich schlagendes Energiebündel. Ich beiße dem Ferox rechts von mir in die Hand und lächle zufrieden, als ich Blut schmecke. Dann schlägt er mich und um mich herum wird es schwarz.

35 . Kapitel
    Ich erwache im Dunkeln, zusammengekrümmt in einer Ecke. Der Fußboden, auf dem ich liege, ist glatt und kalt. Ich taste über meinen dröhnenden Schädel und meine Fingerspitzen werden feucht. Feucht und rot von Blut. Als ich die Hände wieder sinken lasse, stoße ich mit dem Ellbogen gegen eine Wand. Wo bin ich?
    Über mir flackert ein Licht. Eine Glühbirne, sie leuchtet in mattem Blau. Ich bin eingeschlossen von einer Glaswand, ich kann verschwommen mein Spiegelbild sehen. Um dieses Behältnis herum ist nicht viel Platz, der Raum ist fensterlos, mit kahlen Betonwänden. Ich bin allein. Nein, nicht ganz– an einer Wand hängt eine Überwachungskamera.
    Neben meinen Füßen entdecke ich eine kleine Öffnung. Sie führt zu einem kleinen Rohr und dieses Rohr ist mit einem riesigen Tank in der Ecke

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