Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung
des Raums verbunden.
Das Zittern beginnt in meinen Fingerspitzen, breitet sich in meine Arme aus, und bald bebe ich am ganzen Leib.
Diesmal ist es keine Simulation.
Mein rechter Arm ist taub. Als ich mich aufrichte, glitzert an der Stelle, an der ich gesessen habe, eine Blutlache. Ich darf jetzt den Kopf nicht verlieren. Ich lehne mich an die Wand und atme tief ein und aus. Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass ich in diesem Tank ertrinke. Ich drücke meine Stirn an die Glasscheibe und lache. Es ist auch das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann. Mein Lachen erstickt in einem Schluchzen.
Wenn ich nicht aufgebe, dann wird jeder, der mich durch diese Kamera beobachtet, glauben, ich sei tapfer. Aber manchmal ist es tapferer, dem Tod ins Auge zu blicken, als zu kämpfen. Ich lasse mich gegen die Glasscheibe sinken und schluchze. Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber ich möchte anders sterben, nicht auf diese Weise.
Schreien ist besser als Weinen, also fange ich an zu schreien. Ich trete mit der Ferse gegen die Wand hinter mir. Meine Füße prallen ab, aber ich trete wieder zu, so fest, dass meine Ferse pocht. Ich trete und trete und trete, dann drehe ich mich zur Seite und werfe mich mit der linken Schulter gegen die Wand. Die Wucht ist so groß, dass die Wunde in meiner rechten Schulter anfängt zu brennen, als hätte mir jemand einen glühenden Schürhaken hineingestoßen.
Wasser sickert auf den Boden des Tanks.
Die Überwachungskamera bedeutet, dass sie mir zusehen– nein, dass sie mich studieren, wie es nur die Ken tun. Sie wollen herausfinden, ob ich mich in der Wirklichkeit genauso verhalte wie in der Simulation. Sie wollen den Beweis, dass ich in Wirklichkeit feige bin.
Ich öffne die Fäuste und lasse die Arme hängen. Ich bin nicht feige. Ich hebe den Kopf und blicke direkt in die Kamera. Wenn ich mich darauf konzentriere zu atmen, kann ich vergessen, dass ich gleich sterben werde. Ich starre in die Kamera, bis ich nur noch sie und nichts anderes sehe. Das Wasser umspült meine Knöchel, meine Waden, meine Schenkel. Es steigt über meine Fingerspitzen. Ich atme ein, ich atme aus. Das Wasser ist weich wie Seide.
Ich atme ein. Das Wasser wird meine Wunden waschen. Ich atme aus. Als ich klein war, hat mich meine Mutter ins Wasser getaucht, um mich Gott zu weihen. Ich habe schon lange nicht mehr an Gott gedacht, aber jetzt denke ich an ihn. Das ist ganz natürlich. Plötzlich bin ich froh, dass ich Eric in den Fuß und nicht in den Kopf geschossen habe.
Mein Körper wird vom Wasser hochgehoben. Anstatt mit den Füßen zu rudern, um an der Oberfläche zu bleiben, atme ich tief aus und lasse mich auf den Boden sinken. Das Wasser dämpft alle Geräusche, ich spüre die Wellenbewegungen auf meinem Gesicht. Ich will meine Lungen volllaufen lassen, damit ich schneller sterbe, aber ich bringe es nicht fertig. Luftblasen quellen aus meinem Mund.
Entspann dich. Ich schließe die Augen. Meine Lungen stechen.
Ich lasse die Hände nach oben treiben. Das Wasser schlingt seine seidigen Arme um mich.
Als ich jung war, hielt mich mein Vater über seinen Kopf und rannte mit mir, bis ich das Gefühl hatte, als würde ich fliegen. Ich denke daran, wie der Windhauch sich anfühlte, und fürchte mich nicht mehr.
Ich öffne die Augen.
Vor mir steht eine dunkle Gestalt. Wahrscheinlich bin ich dem Tod schon sehr nah, wenn ich anfange, Trugbilder zu sehen. Meine Lungen tun weh. Es ist qualvoll, langsam zu ersticken. Eine Handfläche legt sich von außen gegen die Glasscheibe vor meinem Gesicht, und einen Augenblick lang meine ich, durch das Wasser hindurch das Gesicht meiner Mutter zu erkennen.
Dann höre ich einen dumpfen Knall und das Splittern von Glas. Durch ein Loch oben am Tank schießt das Wasser hinaus und die Scheibe zerspringt. Ich drehe mich weg, als das Glas zersplittert. Die Wucht des Wassers drückt mich zu Boden. Ich schnappe nach Luft, schlucke Wasser, fange keuchend an zu husten. Hände fassen mich am Arm und ich höre ihre Stimme.
» Beatrice«, sagt sie, » Beatrice, wir müssen fliehen.«
Sie legt meinen Arm um ihre Schulter und stellt mich auf die Füße. Sie ist gekleidet wie meine Mutter und sie sieht aus wie meine Mutter, aber sie hat eine Machinenpistole in der Hand, und ihr entschlossener Blick ist mir völlig fremd. Ich stolpere neben ihr her über Glasscherben, durch Wasserpfützen, durch eine offene Tür. Neben der Tür liegen tote Wachen.
Ich schlittere und rutsche auf den
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