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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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dann zieht er die Beine nach. Four hält sich am Seitengriff des Waggons fest und zieht sich trotz seiner Größe elegant hinein.
    Ich trabe neben dem Wagen her, beiße die Zähne zusammen und umklammere den Haltegriff. Das wird höllisch wehtun.
    Al fasst mich unter beiden Armen und hievt mich mit Leichtigkeit in den Wagen. Ein wilder Schmerz schießt durch meine Seite, doch er hält nur ein paar Sekunden an. Hinter Al sehe ich Peter und meine Wangen fangen an zu glühen. Al wollte nur nett zu mir sein, deshalb lächle ich ihn an, aber ich wünschte mir, die Leute wären nicht immer so nett zu mir. Als hätte Peter nicht schon genug Munition gegen mich.
    » Geht’s dir gut?«, fragt Peter und schaut mich gespielt mitleidig an– die Mundwinkel heruntergezogen, die gewölbten Brauen gefurcht. » Oder bist du sogar für eine Stiff ein wenig… steif?«
    Er lacht lauthals über seinen eigenen Witz und Molly und Drew stimmen mit ein. Mollys Lachen ist widerlich, sie prustet und ihre Schultern beben; Drew kichert lautlos vor sich hin, mit aufgerissenem Mund, man möchte fast meinen, ihm tut etwas weh.
    » Wahnsinnig geistreich«, sagt Will spöttisch.
    » Ja«, sagt Christina. » Bist du dir sicher, dass du nicht besser zu den Ken passt, Peter? Wie ich höre, haben die nichts gegen Memmen.«
    Four kommt Peter mit einer Antwort zuvor. » Muss ich mir eure kindischen Streitereien anhören, bis wir am Zaun sind?«
    Alle verstummen und Four dreht sich wieder zur offenen Tür hin. Er hält sich an den beiden seitlichen Haltegriffen fest und lehnt sich weit aus dem Wagen, ohne dass seine Füße den Halt verlieren. Der Fahrtwind drückt sein T-Shirt gegen die Brust. Ich versuche, an ihm vorbeizuspähen und zu erkennen, woran wir gerade vorbeifahren– einem Meer aus verfallenen, verlassenen Gebäuden, die immer kleiner werden, je weiter wir uns entfernen.
    Aber alle paar Sekunden schweift mein Blick unwillkürlich zurück zu ihm. Ich weiß selbst nicht genau, was ich zu sehen erwarte oder womöglich gar zu sehen hoffe. Ich tue es, ohne nachzudenken.
    » Was, glaubst du, ist dort draußen?«, frage ich Christina und zeige mit dem Kinn Richtung Tür. » Ich meine, hinter dem Zaun?«
    Sie zuckt die Schultern. » Bauernhöfe, schätze ich.«
    » Ja, aber was ist hinter den Bauernhöfen? Wovor beschützen wir die Stadt?«
    Sie droht scherzhaft mit dem Finger. » Vor Ungeheuern natürlich!«
    Ich verdrehe die Augen, genervt, dass sie mich nicht ernst nimmt.
    » Bis vor fünf Jahren gab es noch keine Wachen am Zaun«, sagt Will. » Kannst du dich noch daran erinnern, wie die Ferox-Polizei damals das Gebiet der Fraktionslosen kontrolliert hat?«
    » Ja.« Ich erinnere mich auch daran, dass mein Vater einer von denen war, die dafür plädierten, dass die Ferox sich aus dem Gebiet der Fraktionslosen zurückziehen sollten. Er meinte, man solle Armut nicht auch noch polizeilich überwachen. Die bedauernswerten Leute bräuchten vielmehr Hilfe und die könnten wir ihnen gewähren. Aber das werde ich hier und jetzt lieber nicht sagen. Es gehört zu den vielen Dingen, die man bei den Ken als Beweis für die Inkompetenz der Altruan anführt.
    » Aber natürlich«, stellt Will fest. » Du bist ihnen bestimmt andauernd über den Weg gelaufen.«
    » Was meinst du damit?«, frage ich ihn etwas zu scharf. Ich möchte nicht unnötig mit den Fraktionslosen in Verbindung gebracht werden.
    » Weil du doch auf deinem Schulweg den Sektor der Fraktionslosen durchqueren musstest, oder etwa nicht?«
    » Woher weißt du das? Hast du eine Straßenkarte der Stadt zum Spaß auswendig gelernt?«, spottet Christina.
    » Na klar«, sagt Will erstaunt. » Du etwa nicht?«
    Die Bremsen kreischen, und wir werden nach vorn geschleudert, als der Zug seine Fahrt verlangsamt. Ich bin froh um diesen Ruck, denn jetzt habe ich mehr Platz zum Stehen. Statt zerfallener Gebäude sieht man nur noch gelbe Felder und Eisenbahnschienen. Der Zug hält unter einer Art Vordach. Ich halte mich am Griff fest und lasse mich hinunter aufs Gras gleiten.
    Vor mir ist ein Maschendrahtzaun, an dessen oberes Ende Stacheldraht gespannt ist. Als ich daran entlanggehe, fällt mir auf, dass man überhaupt nicht sieht, wo er aufhört, er läuft im rechten Winkel zum Zaun direkt auf den Horizont zu. Hinter dem Zaun stehen ein paar Bäume, die meisten sind abgestorben, nur einige sind noch grün. Und auf der anderen Seite des Zauns patrouillieren bewaffnete Wachen.
    » Mir nach«, befiehlt Four. Ich

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