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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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wiedersehen?«, frage ich ihn.
    » Ich wollte nicht, dass sie mich fragen, wie es mir geht«, antwortet er. » Sie hätten sofort gemerkt, ob ich lüge oder nicht.«
    » Na ja…« Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll. » Du machst dich doch ganz gut.«
    Al lacht rau. » Davon kann keine Rede sein. Seit meinem Sieg über Will habe ich sämtliche Kämpfe verloren.«
    » Ja, aber du hast absichtlich verloren. Könntest du ihnen das nicht erklären?«
    Er schüttelt den Kopf. » Dad wollte immer, dass ich hierherwechsle. Sie haben zwar so getan, als wäre es ihnen lieber, wenn ich bei den Candor bleibe, aber das haben sie nur gesagt, weil man es nicht anders von ihnen erwartet. Die beiden haben die Ferox immer bewundert. Egal was ich ihnen erklären würde, sie würden es nicht verstehen.«
    » Oh.« Ich trommle mit den Fingern auf mein Knie. » Hast du dich deshalb für die Ferox entschieden? Wegen deiner Eltern?«
    Al schüttelt den Kopf. » Nein, aus einem anderen Grund… Ich finde es wichtig, andere Menschen zu beschützen. Sich für andere einzusetzen. So wie du dich für mich eingesetzt hast.« Er lächelt mich an. » Das ist doch die Grundüberzeugung der Ferox, oder nicht? Das ist der eigentliche Sinn, warum man furchtlos und tapfer ist. Es geht nicht darum… irgendwelche Leute grundlos zusammenzuschlagen.«
    Ich muss an das denken, was Four gesagt hat, nämlich dass das Gemeinschaftsgefühl bei den Ferox früher sehr wichtig gewesen sei. Wie waren die Ferox damals? Wie wäre ich aufgewachsen, wenn meine Mutter bei ihnen geblieben wäre? Vielleicht hätte ich Molly die Nase nicht gebrochen und auch Wills Schwester nicht bedroht.
    Plötzlich fühle ich mich schuldig. » Vielleicht wird es ja besser, wenn wir die Initiation hinter uns haben.«
    » Nur dumm, dass ich womöglich Letzter bin«, sagt Al. » Ich nehme an, das werden wir heute Abend erfahren.«
    Eine Zeit lang sitzen wir schweigend nebeneinander. Es ist besser, hier zu sein, wo es ruhig ist, als in der Grube, inmitten lauter Familien, die fröhlich Wiedersehen feiern.
    Mein Vater sagt immer, manchmal könne man einem anderen Menschen am besten helfen, indem man einfach nur in seiner Nähe sei. Und ich fühle mich immer dann gut, wenn ich etwas tue, auf das mein Vater stolz wäre. Als würde es ihn für all das entschädigen, worauf er nicht stolz sein kann.
    » Wenn du in meiner Nähe bist, komme ich mir furchtloser und mutiger vor«, sagt Al. » Dann denke ich, ich könnte genauso hierhergehören wie du.«
    Ehe ich ihm eine Antwort geben kann, legt er den Arm um meine Schultern. Ich werde ganz steif bei der Berührung und meine Wangen fangen an zu glühen.
    Mein Verdacht war also richtig. Was Als Gefühle für mich angeht, hätte ich mich gerne geirrt.
    Statt mich an ihn zu schmiegen, beuge ich mich vor. Sein Arm gleitet von meiner Schulter. Verlegen presse ich die Hände in meinem Schoß zusammen.
    » Tris, ich…« Seine Stimme klingt gepresst. Ich schaue ihn an. Sein Gesicht ist genauso rot wie meines. Wenigstens weint er nicht– er ist nur schrecklich verlegen.
    » Ähm… tut mir leid«, stammelt er. » Ich wollte nicht… ähm… tut mir leid.«
    Ich wünschte, ich könnte ihm sagen, er solle es nicht persönlich nehmen. Ich wünschte, ich könnte ihm erklären, dass wir uns zu Hause nur selten berührt haben und ich mir deshalb angewöhnt habe, beim kleinsten Anzeichen von Zuneigung auf Distanz zu gehen, weil man mit Gefühlen nicht spielt. So bin ich erzogen worden, das muss er doch verstehen. Und vielleicht wäre er dann nicht gar so verletzt? Denn genau das ist er, darüber kann seine Verlegenheit nicht hinwegtäuschen.
    Natürlich nimmt er es persönlich. Er ist ein Freund für mich, mehr aber auch nicht. Was ist persönlicher als eine solche Abfuhr?
    Ich atme tief ein und beim Ausatmen zwinge ich mich zu einem Lächeln. » Es gibt nichts, was dir leidtun müsste«, sage ich leichthin. Ich wische mir über die Hose, obwohl es nichts wegzuwischen gibt, und stehe auf.
    » Ich geh dann mal.«
    Er nickt, ohne mich anzusehen.
    » Fühlst du dich ein bisschen besser?«, frage ich ihn. » Ich meine… was deine Eltern angeht. Nicht wegen…« Ich beende den Satz nicht, wie denn auch, ich habe nicht den leisesten Schimmer, was ich sagen könnte.
    » Oh ja.« Er nickt wieder, diesmal sehr entschlossen. » Bis später, Tris.«
    Ich gehe betont langsam, um meinen Rückzug nicht wie eine Flucht aussehen zu lassen. Als die Tür des Schlafsaals

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