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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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Ausdruck ist es, dass ausgerechnet meine Mutter ihn als solches bezeichnet. Wenn ich sie so anschaue, kann ich nicht sagen, ob sie verärgert ist. Ich weiß auch nicht, ob ich ihr das je ansehen werde. Aber sie muss verärgert sein, wenn sie meinen Vater allen Ernstes selbstsüchtig nennt.
    » Was ist mit Caleb?«, frage ich. » Wirst du ihn später besuchen?«
    » Ich wünschte, ich könnte es«, sagt sie. » Aber die Ken haben den Altruan verboten, ihr Gelände zu betreten. Wenn ich dorthin ginge, würden sie mich hinauswerfen.«
    » Wie bitte?«, frage ich. » Das ist ja schrecklich. Warum tun sie das?«
    » Die Spannungen zwischen unseren beiden Fraktionen sind größer als je zuvor«, antwortet sie. » Ich wünschte mir, es wäre anders, aber ich kann wenig dagegen tun.«
    Ich stelle mir Caleb vor, wie er unter den Neulingen der Ken steht und in der Menschenmenge nach unserer Mutter Ausschau hält, und bei dem Gedanken krampft sich alles in mir zusammen. Einerseits bin ich immer noch sauer auf ihn, weil er mir so viel verheimlicht hatte, andererseits möchte ich nicht, dass es ihm schlecht geht.
    » Das ist ja schrecklich«, wiederhole ich.
    In einiger Entfernung steht Four ganz allein am Geländer. Natürlich ist er kein Initiant mehr, aber am Besuchstag treffen sich auch viele andere Ferox mit ihren Familien. Entweder möchte seine Familie ihn nicht sehen oder er kommt aus einer anderen Fraktion. Aber aus welcher?
    » Dort steht einer meiner Ausbilder.« Ich beuge mich näher zu Mutter und flüstere: » Er schüchtert mich immer ein bisschen ein.«
    » Er sieht gut aus«, sagt sie.
    Ohne nachzudenken, nicke ich. Sie lacht und nimmt ihren Arm von meiner Schulter. Ich möchte sie von ihm weglotsen, aber gerade als ich vorschlagen will, woandershin zu gehen, dreht er sich zu uns um.
    Als er meine Mutter sieht, werden seine Augen groß. Sie tritt zu ihm und gibt ihm die Hand.
    » Hallo. Ich heiße Natalie«, sagt sie. » Ich bin die Mutter von Beatrice.«
    Ich habe noch nie gesehen, dass meine Mutter jemandem die Hand schüttelt. Four ergreift unbeholfen ihre Hand und schüttelt sie zweimal. Die Geste wirkt aufgesetzt. Nein, wenn Four so ungeschickt beim Händeschütteln ist, dann ist er kein gebürtiger Ferox.
    » Four«, sagt er. » Nett, Sie kennenzulernen.«
    » Four«, wiederholt meine Mutter lächelnd. » Ist das ein Spitzname?«
    » Ja«, sagt er ohne eine weitere Erklärung. Wie er wohl tatsächlich heißt? » Ihre Tochter schlägt sich gut hier. Ich habe ihr Training überwacht.«
    Seit wann gehört es zum Überwachen eines Trainings, mit Messern auf mich zu werfen und mich bei jeder Gelegenheit zu tadeln?
    » Das höre ich gern«, erwidert meine Mutter. » Ich habe schon einiges über die Initiation der Ferox gehört und mir Sorgen um meine Tochter gemacht.«
    Four sieht mich an, sein Blick wandert über mein Gesicht, von der Nase über den Mund bis zum Kinn. Dann sagt er: » Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
    Ich kann mir nicht helfen, meine Wangen beginnen zu glühen. Hoffentlich fällt es niemandem auf.
    Will er sie nur beruhigen, weil sie meine Mutter ist, oder findet er wirklich, dass ich mich gut anstelle? Und was hatte dieser Blick zu bedeuten?
    Meine Mutter legt den Kopf schräg. » Ist es möglich, dass wir uns von irgendwoher kennen?«
    » Das halte ich für ausgeschlossen«, antwortet er und seine Stimme ist mit einem Mal kalt und abweisend. » Für gewöhnlich habe ich mit den Altruan nichts zu schaffen.«
    Meine Mutter lacht. Sie hat ein helles Lachen, halb Hauch, halb Melodie. » Das haben heutzutage nicht viele Leute. Ich nehme das nicht persönlich.«
    Er scheint sich ein bisschen zu entspannen. » Nun, dann überlasse ich Sie Ihrem Wiedersehen.«
    Meine Mutter und ich blicken ihm nach, wie er davongeht. Jetzt dringt auch wieder das Tosen des Flusses in mein Bewusstsein. Vielleicht hat Four zu den Ken gehört, das würde erklären, wieso er die Altruan hasst. Oder vielleicht schenkt er dem Glauben, was die Ken über uns in Umlauf setzen. Über sie , korrigiere ich mich. Wie auch immer, es war nett von ihm, meiner Mutter zu sagen, wie gut ich mich schlage, obwohl er das garantiert selbst nicht glaubt.
    » Ist er immer so?«, fragt sie.
    » Nein, noch schlimmer.«
    » Hast du hier schon Freunde gefunden?«
    » Ein paar.« Ich blicke mich nach Will und Christina und deren Familien um.
    Als Christina mich bemerkt, winkt sie mir lächelnd zu, was ich als Aufforderung nehme, mit

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