Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
hebt mich mühelos hoch. Mit dem linken Arm hält er mein Bein, mit der rechten Hand umklammert er die Waffe.
Dann rennt er weiter, und sogar mit meinem Gewicht auf dem Rücken läuft er schnell. Unzusammenhängende Gedanken schießen mir durch den Kopf– Wie hat er jemals zu den Altruan gehören können? Er scheint für die Schnelligkeit und tödliche Genauigkeit wie geschaffen zu sein. Aber nicht für Kraft, jedenfalls nicht in erster Linie– er ist klug, aber nicht stark. Nur stark genug, um mich zu tragen.
Die Gänge sind menschenleer, aber das wird nicht lange so bleiben. Bald werden die Ferox von überall herbeiströmen und wir werden in diesem fahlen Labyrinth gefangen sein. Ich frage mich, wie Tobias an ihnen vorbeikommen will.
Ich hebe den Kopf gerade lange genug, um zu sehen, wie er an einem Ausgang vorbeiläuft.
» Tobias, du bist gerade dran vorbei.«
» Vorbei… wo?«, fragt er zwischen zwei Atemzügen.
» Am Ausgang.«
» Ich will nicht fliehen. Sie würden uns erschießen, wenn wir das versuchen«, sagt er. » Ich will nur… etwas finden.«
Wenn der Schmerz in meinem Kopf nicht so toben würde, wäre ich mir sicher, dass das Ganze hier ein Traum ist. Normalerweise sind nur meine Träume derart absurd. Warum hat er mich mitgenommen, wenn er nicht fliehen will? Und was hat er vor, wenn das hier kein Fluchtversuch ist?
Als wir in einen geräumigen Flur kommen, bleibt er so abrupt stehen, dass ich beinahe von seinem Rücken rutsche. Rechts und links von uns erstrecken sich Glaswände, die den Blick auf die Büros dahinter freigeben. Die Ken sitzen wie versteinert an ihren Schreibtischen und starren uns an. Tobias beachtet sie nicht. Seine Aufmerksamkeit gilt einer Tür am Ende des Gangs, jedenfalls sieht es ganz danach aus. Auf einem Schild neben der Tür steht CONTROL -A .
Tobias wirft einen prüfenden Blick in alle Ecken, dann schießt er auf eine Kamera, die rechts von uns an der Decke hängt. Sie fällt herunter. Als Nächstes zielt er auf die Kamera an der Decke links von uns. Die Linsen explodieren.
» Du kannst absteigen«, sagt er. » Wir brauchen nicht mehr zu rennen. Ehrenwort.«
Ich rutsche von seinem Rücken und greife nach seiner Hand. Er geht auf eine geschlossene Tür zu, an der wir eben vorbeigelaufen sind, und wir finden uns in einer Abstellkammer wieder. Er schließt die Tür und klemmt einen kaputten Stuhl unter den Türgriff. Ich lehne mich an ein Regal voller Papier und blicke ihn an. Über unseren Köpfen flackert ein blaues Licht. Sein Blick gleitet fast gierig über mein Gesicht.
» Ich habe nicht viel Zeit, also kommen wir gleich zur Sache«, sagt er.
Ich nicke.
» Ich bin nicht hierhergekommen, weil ich lebensmüde bin«, sagt er, » sondern aus zwei Gründen. Erstens, um die beiden Kontrollräume der Ken zu finden, damit wir bei unserem Angriff auf das Hauptquartier wissen, was wir zuerst zerstören müssen, um sämtliche Simulationsdaten zu löschen, mit denen die Ken die Transmitter der Ferox aktivieren können.«
Deshalb ist er so gerannt, obwohl er eigentlich gar nicht fliehen wollte.
Und jetzt haben wir am Ende dieses Gangs einen Kontrollraum entdeckt.
Noch ganz benommen von den Ereignissen der letzten Minuten blicke ich ihn fragend an.
» Zweitens«, sagt er und räuspert sich, » wollte ich sicherstellen, dass du das Ganze hier durchhältst, denn wir haben einen Plan.«
» Welchen Plan denn?«
» Einer unserer Informanten hat uns berichtet, dass deine Hinrichtung für heute in zwei Wochen angesetzt ist«, sagt er. » Zumindest plant Jeanine, bis dahin mit der Entwicklung der neuen Simulation, die auch bei Unbestimmten funktioniert, fertig zu sein. Also werden heute in vierzehn Tagen die Fraktionslosen, die loyalen Ferox und diejenigen Altruan, die bereit sind, zu kämpfen, das Gebäude der Ken stürmen. Wir werden ihnen ihre mächtigste Waffe nehmen– ihre Computersysteme. Dann werden wir den abtrünnigen Ferox und damit auch den Ken haushoch überlegen sein.«
» Aber du hast Jeanine doch verraten, wo sich die Fraktionslosen versteckt halten.«
» Ja.« Über sein Gesicht huscht ein Schatten. » Das ist ein Problem. Aber wie wir beide wissen, sind viele der Fraktionslosen unbestimmt. Außerdem haben sich etliche schon längst in das Viertel der Altruan begeben. Das heißt, dass überhaupt nur ein paar Zufluchtsorte betroffen sind. So oder so können immer noch ziemlich viele Fraktionslose beim Angriff dabei sein.«
Zwei Wochen. Werde ich noch
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