Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
höheren Etagen des Gebäudes vordringen, um die Ken in den offiziellen Schlüsselpositionen zu erledigen. Ihr alle bekommt eure Aufgaben für die jeweilige Gruppe später heute Abend zugewiesen.«
» Der Angriff startet in drei Tagen«, fügt Evelyn hinzu.
» Macht euch schon mal darauf gefasst. Das Ganze wird gefährlich und schwierig. Aber die Fraktionslosen kennen sich mit Schwierigkeiten aus…«
Auf dieses Stichwort hin brechen die Fraktionslosen in Jubel aus, und mir kommt der Gedanke, dass die Ferox noch vor wenigen Wochen den Altruan den Vorwurf gemacht haben, dass sie die Fraktionslosen mit Essen und anderen lebensnotwendigen Dingen versorgen. Ist das wirklich alles so schnell vergessen?
» Und die Ferox kennen sich mit Gefahren aus…«
Alle um mich herum recken die Fäuste in den Himmel und brüllen. Ich spüre ihre Stimmen in meinem Kopf und das feurige Gefühl des Triumphs reißt mich mit.
Doch Evelyns Gesichtsausdruck ist zu leer für jemanden, der gerade eine leidenschaftliche Rede hält. Ihr Gesicht wirkt maskenhaft.
» Nieder mit den Ken!«, schreit Tori, und alle fallen ein in das Gejohle, die Fraktionen spielen keine Rolle mehr. Wir alle haben einen gemeinsamen Feind, aber macht uns das schon zu Freunden?
Mir fällt auf, dass Tobias nicht in den Chor einstimmt, genauso wenig wie Christina.
» Das fühlt sich nicht richtig an«, sagt sie.
» Wie meinst du das?«, fragt Lynn, während sich die Leute um uns herum immer weiter aufschaukeln. » Hast du vergessen, was sie uns angetan haben? Dass sie unser Gehirn mit einer Simulation gesteuert und uns gezwungen haben, Leute abzuknallen, ohne dass wir davon überhaupt etwas mitbekommen haben? Dass sie gezielt die Anführer der Altruan ermordet haben?«
» Ja, schon«, sagt Christina. » Es ist nur… in das Hauptquartier einer Fraktion einzufallen und alle Leute dort abzuschlachten, ist das nicht genau das, was die Ken mit den Altruan gemacht haben?«
» Das ist etwas anderes. Das hier ist nicht ein völlig grundloser Angriff aus dem Nichts«, sagt Lynn und funkelt sie an.
» Ja«, sagt Christina. » Ja, ich weiß.«
Sie wirft mir einen Blick zu. Ich sage nichts. Sie hat nicht ganz unrecht– es fühlt sich einfach nicht richtig an.
Ich sehne mich nach etwas Stille und mache mich auf den Weg zum Haus der Eatons.
Ich öffne die Eingangstür und steige die Treppe hinauf. In Tobias’ früherem Zimmer setze ich mich auf das Bett und blicke aus dem Fenster, wo die Fraktionslosen und die Ferox noch um die Feuer stehen, sich unterhalten, lachen. Aber die Fraktionen haben sich nicht untereinander gemischt; noch immer ist die Kluft spürbar, die Fraktionslosen stehen auf der einen Straßenseite, die Ferox auf der anderen.
Ich beobachte Lynn, Uriah und Christina neben einem der Feuer. Uriah hält seine Hände über die Flammen und zieht sie gerade noch weg, bevor er sich daran verbrennt. Sein Lachen wirkt wie eine Grimasse, entstellt von Trauer.
Nach wenigen Minuten höre ich Schritte auf den Stufen und Tobias kommt herein. An der Türe streift er seine Schuheab.
» Was ist los?«, fragt er.
» Gar nichts«, sage ich. » Ich habe nur ein bisschen nachgedacht. Ich bin überrascht, dass die Fraktionslosen so schnell eingewilligt haben, mit den Ferox zusammenzuarbeiten. Es ist ja nicht so, als wären die Ferox jemals freundlich zu ihnen gewesen.«
Er stellt sich zu mir und lehnt sich gegen den Fensterrahmen.
» Es ist kein selbstverständliches Bündnis, das ist wahr«, sagt er. » Aber uns eint das gemeinsame Ziel.«
» Im Moment schon. Aber was, wenn die Ziele sich ändern? Die Fraktionslosen wollen das Fraktionssystem abschaffen, die Ferox nicht.«
Tobias’ Lippen werden zu einem dünnen Strich. Unwillkürlich sehe ich Marcus und Johanna vor mir, wie sie zusammen durch die Obstplantage gehen– Marcus hatte genau den gleichen Gesichtsausdruck, als er Johanna etwas verheimlichte.
Hat Tobias diesen Ausdruck von seinem Vater? Oder bedeutet er bei ihm etwas ganz anderes?
» Du bist in meiner Gruppe«, sagt er. » Beim Angriff. Ich hoffe, es macht dir nichts aus. Wir sind dafür zuständig, den Weg zu den Kontrollräumen frei zu machen.«
Der Angriff. Wenn ich mich daran beteilige, kann ich nicht nach den Daten suchen, die Jeanine von den Altruan gestohlen hat. Ich muss mich entscheiden.
Tobias ist der Meinung, dass es wichtiger ist, die Ken unschädlich zu machen, als der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Und wenn er den Fraktionslosen
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