Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
hell; schwarze Marmorfliesen führen zu mehreren Aufzügen. In der Mitte der Halle ist mit weißen Fliesen das Wahrzeichen der Candor in den Boden gelegt, eine Waage mit zwei Waagschalen auf unterschiedlichen Höhen; sie soll das Abwägen der Wahrheit gegen die Lüge darstellen. In der Halle wimmelt es von bewaffneten Ferox.
Eine Soldatin der Ferox, die ihren Arm in einer Schlinge trägt, kommt auf uns zu, die Waffe auf Tobias gerichtet.
» Könnt ihr euch ausweisen?« Sie ist jung, aber nicht so jung, dass sie Tobias kennen würde.
Die anderen versammeln sich hinter ihr. Einige von ihnen beäugen uns misstrauisch, andere sind neugierig. Aber das Merkwürdigste ist, dass ich in manchen Augen etwas aufflackern sehe. Sie erkennen uns offenbar wieder. Vielleicht erinnern sie sich ja an Tobias, aber woher kennen sie mich?
» Ich bin Four«, sagt er, dann deutet er mit dem Kinn auf mich. » Und das hier ist Tris. Beide von den Ferox.«
Die Augen der Soldatin weiten sich, aber sie lässt die Waffe nicht sinken.
» Hilft mir mal einer von euch?«, fragt sie hinter sich. Ein paar Ferox treten vor, vorsichtig, als könnten wir ihnen gefährlich werden.
» Gibt es ein Problem?«, fragt Tobias.
» Bist du bewaffnet?«
» Natürlich bin ich bewaffnet. Ich bin ein Ferox, oder?«
» Hände hoch!« Sie sagt es scharf, als rechne sie mit unserem Widerstand. Ich werfe Tobias einen Blick zu. Warum tun alle so, als könnten wir sie jeden Moment anfallen?
» Wir sind durch die Eingangstür hereingekommen«, sage ich langsam. » Glaubt ihr, wir hätten das gemacht, wenn wir vorgehabt hätten, euch anzugreifen?«
Ohne auch nur einen Blick in meine Richtung zu werfen, legt Tobias die Fingerspitzen leicht an den Hinterkopf. Nach einem kurzen Zögern tue ich es auch. Ferox-Soldaten umringen uns. Einer von ihnen tastet Tobias’ Beine nach Waffen ab, ein zweiter nimmt ihm die Pistole weg, die in seinem Hosenbund versteckt war. Ein anderer, ein pausbäckiger Junge mit rosa Wangen, blickt mich entschuldigend an.
» Ich habe ein Messer in meiner Hosentasche«, sage ich. » Fass mich an und du wirst es bitter bereuen.«
Er murmelt so etwas wie eine Entschuldigung. Mit den Fingerspitzen angelt er nach dem Messergriff, ängstlich darauf bedacht, mich nicht zu berühren.
» Was ist hier eigentlich los?«, fragt Tobias.
Die Soldaten sehen sich an.
» Tut mir leid«, sagt der Erste, » aber wir haben Befehl, euch zu verhaften, sobald ihr auftaucht.«
11. Kapitel
Sie nehmen uns in die Mitte, ohne uns Handschellen anzulegen, und führen uns zum Aufzug. Egal wie oft ich auch frage, weshalb man uns verhaftet hat, niemand sagt ein Wort, niemand blickt auch nur in meine Richtung. Schließlich gebe ich es auf und bin so still wie Tobias.
Wir fahren in den dritten Stock, wo sie uns in einen kleinen Raum führen, der keinen schwarzen, sondern einen weißen Marmorfußboden hat. An der Rückwand steht eine lange Bank, ansonsten ist das Zimmer leer. Jede Fraktion hat Zellen für Mitglieder, die Ärger machen, aber ich bin noch nie in einer davon gewesen.
Die Tür schließt sich hinter uns, das Schloss klickt und wir sind wieder allein.
Tobias setzt sich auf die Bank und macht ein finsteres Gesicht. Ich laufe auf und ab. Wenn er irgendeine Ahnung hätte, weshalb wir hier sind, dann würde er es mir bestimmt sagen, also mache ich mir gar nicht erst die Mühe, ihn zu fragen.
Ich gehe fünf Schritte vor, dann fünf zurück, fünf Schritte vor, fünf zurück, immer im gleichen Tempo, in der Hoffnung, irgendwann einen klaren Gedanken fassen zu können.
Wenn die Ken die Candor nicht unter ihrer Kontrolle haben– und Edward behauptet, dass das nicht der Fall ist–, weshalb sperren uns die Candor dann ein? Was haben wir ihnen getan?
Wenn die Ken die Candor tatsächlich nicht beherrschen, dann bleibt nur ein Vergehen übrig, das wir begangen haben könnten– nämlich dass wir gemeinsame Sache mit den Ken gemacht haben. Habe ich irgendwie den Eindruck erweckt, mit den Ken unter einer Decke zu stecken? Unwillkürlich beiße ich mir so fest auf die Unterlippe, dass ich zusammenzucke. Ja, das habe ich. Ich habe Will erschossen. Und ich habe ein paar andere Ferox getötet. Sie alle waren von der Simulation gelenkt, aber vielleicht wissen die Candor das nicht oder es ist in ihren Augen kein ausreichender Grund, um Menschen zu erschießen.
» Könntest du bitte ein bisschen runterkommen?«, fragt Tobias. » Du machst mich nervös.«
» Ich versuche
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