Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
mir auf die Lippe. Es ist natürlich meine Schuld, dass aus all dem nichts wird. Nur weil ich die Fraktion gewechselt habe.
» Entschuldigung«, sagt sie. » Ich wollte nicht davon anfangen. Ich bereue es nur, dass ich nicht aufmerksamer gewesen bin. Sonst hätte ich vielleicht mitbekommen, was du durchmachen musstest. Ich war eigennützig.«
Ich muss lachen. » Susan, du bist die Letzte, die sich Vorwürfe machen muss.«
» Ich bin fertig«, sagt sie. » Gibst du mir das Handtuch?«
Ich schließe die Augen und drehe mich um, damit sie das Handtuch nehmen kann. Als Therese ins Badezimmer kommt und ihr Haar zu einem Zopf bindet, fragt Susan sie nach frischen Kleidern.
Wenig später verlassen wir das Badezimmer und ich habe Jeans und ein schwarzes T-Shirt an, das am Kragen so weit ist, dass es mir über die Schulter rutscht. Susan trägt eine weite Jeans und ein weißes Candor-Hemd mit aufgestelltem Kragen, den sie bis obenhin zuknöpft. Typisch Altruan– immer anständig und bescheiden, auch wenn es noch so unbequem ist.
Als ich den großen Raum wieder betrete, sind gerade einige der Fraktionslosen mit Farbeimern und Pinseln auf dem Weg nach draußen. Ich sehe ihnen nach, bis sich die Tür hinter ihnen schließt.
» Sie schreiben eine Botschaft für unsere anderen Zufluchtshäuser«, sagt Evelyn hinter mir. » Auf eine Plakatwand. Es sind verschlüsselte Nachrichten, die sich auf ganz persönlich Dinge beziehen– auf die Lieblingsfarbe oder das Lieblingstier aus Kindertagen zum Beispiel.«
Ich habe keine Ahnung, warum sie ausgerechnet mir etwas über die verschlüsselten Botschaften der Fraktionslosen erzählt. Doch dann drehe ich mich um und sehe einen vertrauten Ausdruck in ihren Augen– den gleichen wie bei Jeanine, als sie Tobias von dem Serum erzählte, das sie entwickelt hat und mit dem sie ihn beherrschen konnte. Es ist Stolz, der aus ihren Augen spricht.
» Clever«, sage ich. » War das deine Idee?«
» Ja, eigentlich schon.« Sie zuckt mit den Achseln, aber ich lasse mich davon nicht täuschen. Sie ist alles andere als gelassen. » Ich war eine Ken, bevor ich zu den Altruan kam.«
» Oh«, sage ich. » Schätze mal, du hattest keine Lust mehr auf das Leben in der akademischen Welt?«
Sie geht nicht darauf ein. » So ähnlich, ja.« Sie zögert. » Ich nehme an, dein Vater ist aus ganz ähnlichen Gründen gegangen.«
Am liebsten würde ich mich einfach wegdrehen, um dieser Unterhaltung zu entkommen, aber ihre Worte dröhnen in meinem Kopf, so als würde Evelyn mein Gehirn zwischen ihren Händen zerquetschen. Fassungslos starre ich sie an.
» Wusstest du das etwa nicht?« Sie runzelt Stirn. » Tut mir leid, ich habe nicht daran gedacht, dass Fraktionsmitglieder untereinander kaum über ihre ehemaligen Fraktionen sprechen.«
» Wie bitte?« Meine Stimme überschlägt sich.
» Dein Vater war ein geborener Ken«, sagt sie. » Seine Eltern sind mit den Eltern von Jeanine Matthews befreundet gewesen. Dein Vater und Jeanine haben als Kinder miteinander gespielt. Ich habe immer beobachtet, wie sie in der Schule Bücher getauscht haben.«
Ich stelle mir meinen Vater vor, einen erwachsenen Mann, der neben Jeanine, einer erwachsenen Frau, an einem Esstisch in unserer alten Cafeteria sitzt, ein Buch zwischen ihnen. Die Vorstellung ist so absurd, dass ich verächtlich aufschnaube und gleichzeitig lachen muss. Das kann nicht wahr sein.
Aber…
Aber er hat nie von seiner Familie und von seiner Kindheit gesprochen.
Und es fehlte ihm immer die natürliche Zurückhaltung eines Menschen, der unter den Altruan aufgewachsen ist.
Und sein Hass auf die Ken war so groß, dass er dafür eigentlich nur persönliche Gründe gehabt haben kann.
» Es tut mir leid, Beatrice«, sagt Evelyn. » Ich wollte keine alten Wunden aufreißen.«
Ich blicke sie grimmig an. » Das hast du aber.«
» Was meinst du damit?«
» Jetzt hör mir mal gut zu.« Ich senke die Stimme und werfe einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass Tobias uns nicht hört. Doch da ist niemand außer Caleb und Susan, die in der Ecke auf dem Boden sitzen und sich eine Dose Erdnussbutter teilen. Tobias ist nirgends zu sehen.
» Ich bin kein Dummkopf«, sage ich. » Ich habe längst mitbekommen, dass du ihn für deine Zwecke einspannen willst. Und für den Fall, dass er das noch nicht selbst gemerkt hat, werde ich es ihm sagen.«
» Meine Liebe«, erwidert sie. » Ich bin seine Familie und das bleibe ich auch. Du bist nur eine Episode
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