Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
zu bringen«, überlege ich laut. » Und er wird alles tun, um seine Fraktion zu schützen, selbst wenn er dafür die Unbestimmten opfern muss.« Ich mache eine kleine Pause, denn mir ist gerade wieder eingefallen, wie er sich bei der Versammlung mit seinem Einfluss innerhalb der Fraktionen gebrüstet hat. » Oder er wird die Ferox opfern. Deshalb müssen wir unbedingt herausfinden, was bei diesem Treffen besprochen wird.«
Uriah und Zeke blicken sich an. Lynn lächelt, aber es ist nicht ihr übliches Lächeln. Die Augen lächeln nicht mit, sie funkeln goldener als je zuvor und sie haben diese ganz spezielle Kälte.
» Dann belauschen wir sie eben«, sagt sie.
20. Kapitel
Ich sehe auf meine Armbanduhr. Es ist sieben Uhr abends. Noch zwölf Stunden, bis wir erfahren, was Jeanine Jack Kang zu sagen hat. In der vergangenen Stunde habe ich mindestens ein Dutzend Mal auf die Uhr geschaut, als würde die Zeit dann schneller vergehen.
Ich bin ganz zappelig vor lauter Ungeduld, ich will irgendetwas tun– nur nicht in der Cafeteria mit Lynn, Tobias und Lauren herumsitzen, in meinem Essen stochern und verstohlen zu Christina hinüberschielen, die mit ihrer Candor-Familie an einem der Tische sitzt.
» Ich frage mich, ob alles wieder so wird wie früher, wenn das hier vorüber ist«, sagt Lauren. Sie und Tobias unterhalten sich schon seit mindestens fünf Minuten über die Ausbildungsmethoden der Ferox. Wahrscheinlich das einzige Thema, das die beiden verbindet.
» Die Frage ist vielmehr, ob es dann überhaupt noch Fraktionen gibt«, sagt Lynn und häuft ihren Kartoffelbrei auf ein Brötchen.
» Sag bloß, du willst ein Kartoffelbrei-Sandwich essen«, frage ich.
» Ja, und?«
Einige Ferox gehen zwischen unserem und dem nächsten Tisch vorbei. Sie sind älter als Tobias, aber nicht sehr viel. Eines der Mädchen hat die Haare in fünf verschiedenen Farben gefärbt und ihre Arme sind so voller Tattoos, dass man kaum eine freie Stelle erkennen kann. Einer der Jungs beugt sich zu Tobias, der ihnen den Rücken zugewandt hat, und raunt im Vorbeigehen: » Feigling.«
Ein paar andere machen dasselbe; sie flüstern Tobias » Feigling« ins Ohr, dann gehen sie weiter. Seine Messerspitze ruht auf einer Scheibe Brot, ein Klecks Butter wartet darauf, aufs Brot gestrichen zu werden, aber Tobias sitzt reglos da und starrt auf die Tischplatte.
Ich warte nervös auf seine Reaktion.
» Was für Idioten«, empört sich Lauren. » Und die Candor sind auch Idioten, wenn sie Leute dazu bringen, ihr ganzes Leben in aller Öffentlichkeit auszubreiten.«
Tobias schweigt. Er legt sein Messer hin und rückt seinen Stuhl vom Tisch weg. Er fixiert irgendetwas auf der anderen Seite des Raums.
» Das muss ein Ende haben«, sagt er abwesend und setzt sich in Bewegung, bevor ich weiß, was er vorhat. Das bedeutet nichts Gutes.
Er gleitet so schnell zwischen den Tischen und den Menschen hindurch, als würden seine Füße den Boden nicht berühren. Ich stolpere hinter ihm her und murmle Entschuldigungen, als ich die Leute zur Seite schubse.
Und dann wird mir klar, wohin Tobias geht. Zu Marcus. Er sitzt bei einigen älteren Candor.
Als er bei ihm ist, packt er ihn am Kragen und zieht ihn hoch. Marcus will etwas sagen, aber das ist ein Fehler. Denn Tobias schlägt ihm ins Gesicht. Ein paar Leute schreien auf, aber niemand kommt Marcus zu Hilfe, schließlich ist der Raum voller Ferox.
Tobias schleppt Marcus zu einem freien Platz zwischen den Tischen, wo das Zeichen der Candor auf dem Boden abgebildet ist. Marcus stolpert bei dem Symbol der Waagschalen, er hält die Hände vors Gesicht, damit niemand sieht, wie ihn Tobias zugerichtet hat.
Tobias lässt Marcus auf den Boden fallen und setzt seinem Vater den Absatz auf die Kehle. Marcus schlägt auf Tobias’ Bein ein, über seine Lippen rinnt Blut, aber selbst an seinem besten Tag wäre er seinem Sohn noch immer unterlegen. Tobias öffnet seinen Gürtel und zieht ihn aus den Hosenschlaufen.
Er nimmt den Fuß von Marcus’ Kehle und holt mit dem Gürtel aus.
» Das ist nur zu deinem Besten«, sagt er.
Das hat Marcus in der Angstlandschaft immer zu Tobias gesagt, erinnere ich mich.
Der Gürtel zischt durch die Luft und trifft Marcus am Arm. Marcus’ Gesicht ist voller Blut und er hält die Hand schützend vor den Kopf, als der nächste Hieb kommt, diesmal trifft er seinen Rücken. Um mich herum lachen alle, vor allem die Ferox, aber ich lache nicht. Über so etwas kann ich nicht lachen.
Endlich
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