Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
endlich aufhörst, dich selbst zu belügen. Wenn du dann nicht weißt, was du tun sollst, weil du es alleine nicht schaffst, dann denk an mich.«
Ich verlasse den Waschraum gerade noch rechtzeitig, bevor der Candor mit einem Eisbeutel zurückkommt.
21. Kapitel
Ich stehe vor den Waschbecken der Damentoilette in der Etage, die von den Ferox mit Beschlag belegt worden ist, und auf meiner flachen Hand liegt eine Pistole. Lynn hat sie vor ein paar Minuten gebracht; sie schien sich ein wenig zu wundern, weil ich sie nicht sofort genommen und irgendwohin gesteckt habe, in ein Holster oder in meinen Hosenbund. Ich habe die Waffe einfach liegen gelassen und bin in die Toilette gegangen, bevor mich die Panik überkommen konnte.
Stell dich nicht so an. Das, was ich vorhabe, kann ich nicht unbewaffnet in Angriff nehmen. Es wäre vollkommen verrückt. Also werde ich das Problem in den nächsten fünf Minuten lösen müssen.
Zuerst lege ich den kleinen Finger um den Griff, dann noch einen Finger, dann die anderen. Das Gewicht der Waffe ist mir vertraut. Mein Zeigefinger legt sich um den Abzug. Ich atme tief aus.
Ich hebe die Waffe, halte meine rechte Hand mit der linken fest. Ich ziele mit der Pistole von mir weg, mit ausgestrecktem Arm, genau wie Four es mir beigebracht hat, als ich ihn noch einzig unter diesem Namen kannte. Mit einer Waffe wie dieser habe ich meinen Vater und meinen Bruder vor den angreifenden Ferox verteidigt. Mit einer solchen Waffe habe ich Eric daran gehindert, Tobias zu erschießen. Sie ist nicht unbedingt böse. Sie ist einfach nur ein Werkzeug.
Im Spiegel sehe ich den Schatten einer Bewegung, und ohne lange nachzudenken, blicke ich mein Spiegelbild an. So habe ich ihn angesehen, denke ich. So habe ich ausgesehen, als ich ihn erschossen habe.
Ich stöhne auf wie ein waidwundes Tier, lasse die Waffe fallen und schlinge die Arme um meinen Körper. Ich möchte weinen, weil ich weiß, dass es mir dann besser geht, aber ich kann die Tränen nicht herbeizwingen. Ich kauere mich einfach im Waschraum zusammen und starre die weißen Fliesen an. Ich kann es nicht. Ich kann keine Waffe mitnehmen.
Ich sollte gar nicht erst mitgehen und doch werde ich es tun.
» Tris?« Es klopft. Ich stehe auf und lasse die Arme hängen, als sich die Tür quietschend einen Spalt weit öffnet. Tobias kommt herein.
» Zeke und Uriah haben mir gesagt, dass du Jack belauschen willst«, sagt er.
» Ach.«
» Und, willst du?«
» Wieso sollte ich dir das sagen? Du erzählst mir doch auch nichts von deinen Plänen.«
Seine Augenbrauen schießen in die Höhe. » Wovon redest du?«
» Davon, dass du Marcus vor allen Ferox grundlos grün und blau geprügelt hast.« Ich gehe auf ihn zu. » Aber es gibt einen Grund dafür, nicht wahr? Das hast du nicht getan, weil du die Beherrschung verloren hast; auch nicht, weil er dich gereizt hat. Es gibt einen anderen Grund!«
» Ich musste den Ferox beweisen, dass ich kein Feigling bin«, antwortet er. » Das ist alles. Mehr steckt nicht dahinter.«
» Weshalb wolltest du…«, beginne ich.
Weshalb wollte sich Tobias vor den Ferox beweisen? Weil er ihre Achtung nicht verlieren will? Weil er einer ihrer Anführer werden will? Was hat Evelyn damals im Halbdunkel ihres Zufluchtsortes zu ihm gesagt? Ich schlage deshalb vor, dass du für sie wichtig wirst.
Er will, dass sich die Ferox mit den Fraktionslosen verbünden. Und das erreicht er nur, wenn er selbst dafür sorgt.
Warum er es nicht für notwendig hält, mich in diesen Plan einzuweihen, ist ein anderes seiner Geheimnisse. Noch bevor ich ihn fragen kann, sagt er: » Wirst du ihn also bespitzeln oder nicht?«
» Spielt das eine Rolle?«
» Du begibst dich wieder einmal grundlos in Gefahr«, erwidert er. » Genau wie neulich, als du gegen die Ken gekämpft hast mit nichts als einem… Taschenmesser in der Hand.«
» Es gibt sehr wohl einen guten Grund dafür. Wir erfahren nicht, was vor sich geht, wenn wir sie nicht bespitzeln. Aber wir müssen Bescheid wissen.«
Er kreuzt die Arme. Er ist nicht muskulös wie viele andere Ferox. Und manchen Mädchen würden vielleicht als Erstes seine abstehenden Ohren und seine krumme Nase auffallen, aber für mich…
Ich verschlucke den Rest des Gedankens. Er ist gekommen, um mir Vorwürfe zu machen. Er hat mir Dinge verschwiegen. Wie immer wir auch jetzt zueinander stehen, ich kann es mir nicht leisten, darüber nachzudenken, wie attraktiv er ist. Das macht es mir nur noch schwerer, das zu tun,
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