Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
mich, aber sie rühren mich nicht an und sprechen auch nicht mit mir. Ich blicke in ihre Gesichter, versuche so gelassen wie möglich zu wirken.
» Unbestimmt?«, fragt schließlich jemand, während der Mann hinter dem Schalter den Hörer der Sprechanlage abnimmt.
Ich balle die Fäuste. Meine Hände zittern und ich kann nichts dagegen tun. Ich nicke.
Aus dem Aufzug auf der linken Seite der Halle kommen Ferox. Bei ihrem Anblick verliere ich die Kontrolle über mich, meine Gesichtsmuskeln werden schlaff. Es ist ausgerechnet Peter, der auf mich zukommt.
Tausend mögliche Reaktionen schießen mir durch den Kopf, angefangen damit, dass ich ihm an die Kehle gehe, dass ich in Tränen ausbreche oder irgendeinen Scherz mache. Ich kann mich für keine entscheiden. Also bleibe ich ruhig stehen und beobachte ihn. Jeanine muss gewusst haben, dass ich komme, sie muss Peter mit Absicht ausgewählt haben, um mich in Empfang zu nehmen, ganz bestimmt.
» Wir haben Anweisung, dich nach oben zu bringen«, sagt er.
Ich will etwas erwidern, etwas Lässiges, aber der einzige Laut, den ich hervorbringe, ist ein zustimmendes Krächzen, das aus meiner zugeschnürten Kehle kommt. Peter marschiert zu den Aufzügen und ich folge ihm.
Wir gehen durch mehrere auf Hochglanz polierte Korridore. Obwohl wir mehrmals Treppen hochsteigen, habe ich trotzdem das Gefühl, als würde ich im Erdboden versinken.
Ich erwarte, dass sie mich zu Jeanine bringen, aber das tun sie nicht. Sie bleiben in einem schmalen Gang stehen, in dem sich auf beiden Seiten Metalltüren befinden. Peter tippt einen Code ein und öffnet eine der Türen, die übergelaufenen Ferox umringen mich, stehen rechts und links von mir, Schulter an Schulter, sie bilden einen schmalen Tunnel, den ich auf meinem Weg hinein passieren muss.
Das Zimmer ist winzig, vielleicht zwei mal zwei Meter. Der Boden, die Wände, die Decke, alles ist aus demselben hellen Holz wie in dem Raum, in dem die Eignungstests durchgeführt werden– nur dass es hier matt und düster wirkt. In jeder Ecke befindet sich eine kleine schwarze Kamera.
Und jetzt wehre ich mich nicht länger gegen die Angst.
Ich blicke von einer Ecke in die andere, sehe die Kameras, und unterdrücke den Schrei, der sich in meinem Magen, meiner Brust, meiner Kehle anstaut, der alles in mir ausfüllt. Wieder einmal streiten sich Schuld und Kummer um die Vorherrschaft, aber meine Angst ist stärker als die beiden. Ich atme ein und atme aus. Mein Vater hat mir erklärt, dass man so einen Schluckauf vertreibt. Ich habe ihn gefragt, ob man sterben kann, wenn man die Luft anhält.
» Nein«, hat er gesagt. » Deine Körperreflexe werden die Oberhand gewinnen und dich zwingen zu atmen.«
Was für ein Pech. Ich könnte jetzt wirklich einen Ausweg gebrauchen. Bei dem Gedanken möchte ich zuerst am liebsten loslachen und dann doch losschreien.
Ich rolle mich zusammen, sodass ich mein Gesicht auf meine Knie legen kann. Ich muss mir einen Plan ausdenken, damit ich mich nicht mehr so fürchte.
Aber es gibt keinen Plan. So wie es auch kein Entrinnen aus dem Hauptquartier der Ken gibt, keine Flucht vor Jeanine und auch nicht vor meinen Taten.
29. Kapitel
Ich habe meine Armbanduhr vergessen.
Minuten oder Stunden später, als die Panik etwas nachgelassen hat, ist es das, was ich am meisten bereue– nicht, dass ich hergekommen bin, das war eigentlich von Anfang an klar– sondern dass ich meine Uhr vergessen habe. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie lange ich schon in diesem Zimmer festsitze. Mein Rücken schmerzt, deshalb denke ich, dass ich schon eine ganze Weile hier bin, aber das ist auch kein wirklicher Anhaltspunkt.
Nach einer Weile stehe ich auf, laufe auf und ab, recke die Arme über den Kopf. Eigentlich will ich gar nichts tun, während die Kameras alles aufzeichnen, aber wenn ich hier stehe und meine Zehen berühre, können sie daraus wohl kaum viel schließen.
Bei dem Gedanken fangen meine Hände an zu zittern, aber ich verbanne ihn dennoch nicht aus meinem Kopf. Stattdessen erinnere ich mich daran, dass ich eine Ferox bin und dass Furcht für mich nichts Neues ist. Ich werde hier sterben. Vielleicht sogar bald. So sieht es eben aus.
Man kann das Ganze auch in einem anderen Licht betrachten. Bald werde ich mich endlich meiner Eltern würdig erweisen, indem ich sterbe wie sie. Und wenn alles, was sie über den Tod glaubten, wahr ist, dann werde ich wieder mit ihnen vereint sein, wo auch immer das sein mag.
Ich schüttle beim
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