Die Bestimmung
er den Raum in sich aufzunehmen. Seine Sinne nahmen nur eine Gefahr wahr und die stand völlig überrascht vor einer Treppe. Bevor der Erdtroll auch nur einen Schritt machen konnte, schleuderte er das Kriegsbeil quer durch den Raum. Mit einem wirbelnden Fauchen sauste es durch die Luft, durchschlug die Hüfte des Erdtrolls und blieb mit einem satten Ton in einer Treppenstufe stecken. Grunzend ging der Erdtroll zu Boden. Mit ein paar Sätzen war Liran bei ihm, schlug ihm im Vorbeilaufen den Stiefel in das erschrockene Gesicht, riss die Klinge aus der Stufe und raste hinauf. Wozu war die Treppe sonst bewacht worden?
Der Geruch lenkte sein Handeln, dann rammte er mit der Schulter eine Tür auf und sah mehrere Dinge gleichzeitig.
Ein paar schreckensweite orange Augen, die in einem hutzeligen kleinen Kerl steckten, der mit einer enormen Geschwindigkeit aus dem Fenster hechtete. Als Liran ihm nachsetzte, sah er, dass der Kerl von einem Erdtroll aufgefangen wurde und beide wie versprengtes Wild in die Dämmerung schossen. Er drehte sich um und erblickte ein langes weißes Becken und einen bewegungslosen Körper darin. Mit einem wütenden Faustschlag zerschmetterte er das Eis, griff einen Arm und zog das Mädchen hoch. Sein Herz schlug wie ein glühender Hammer gegen die Rippen. Nein, nein, um alles auf der Welt, lass sie leben! Er drehte sie auf den Bauch und klopfte ihr fest auf den Rücken. Sie zuckte und er schlug erneut, als sie plötzlich Wasser hustete, würgte, endlich Luft holte. Er riss ein Tuch von einem Stapel neben sich und wickelte sie ein. Ihr Kopf rollte kraftlos hin und her. Liran bebte vor Zorn.
Behutsam legte er sie auf den Boden und fuhr ihr zärtlich über die Wangen, strich das nasse Haar aus ihrem Gesicht. Er legte seine Hand auf ihre Stirn und ließ seine Sinne pulsieren. Für einen Moment spürte er, wie eine Kraft zwischen ihnen floss und er wankte.
Dann endlich begannen ihre Lider zu zittern, sie öffnete die Augen. Verwirrt huschten die Pupillen umher und blieben an ihm haften. Ein flüchtiges Wiedererkennen ließen sie kurz aufleuchten. Mühsam bewegte sie die Lippen.
«Wer ... wer bist Du?», stöhnte sie kaum hörbar.
Er lächelte sie an und es war ihm, als wollte er tausendfache Wärme darin bündeln. Das Geräusch einer dieser Maschinen erklang von unten und das metallische Schlagen von Türen.
«Ich bin ...», sagte er leise. «Ich bin Dein Anam Ċara.»
Mit einem letzten Blick saugte er das Bild vor sich auf, dann kletterte er aus dem Fenster und sprang hinaus.
Nilah fühlte sich, als würde sie vor einem wundervollen Gemälde voller Flammen sitzen, in dessen Seele sie sich verloren hatte, ja, sogar dabei war, eins mit ihm zu werden. Nur um dann, als sie die Hand danach ausstreckte, mit einem heftigen Ruck davon weggerissen zu werden.
Die rote Muschel, die sie in der Tiefe hatte verschwinden sehen, kam zurück oder nein, sie war nie fort gewesen. Nilah griff danach. Freude durchdrang sie. Jetzt war es wieder hell.
Wankend richtete sie sich auf zum offenen Fenster. Sie sah den Mann aus dem Wald dort stehen. Eben noch, glaubte sie, war sein Gesicht ihrem ganz nahe gewesen. Plötzlich schossen Arme neben ihm aus dem Boden und zogen ihn hinab in die Erde. Den Blick, den er dabei hatte, würde sie nicht vergessen. Es war der Blick eines Menschen, der für einen anderen alles tut.
Hinter ihr stolperte jemand ins Zimmer. Ihr Vater packte sie, drehte sie herum und riss sie in die Arme. Morrin stand in der Tür. In ihren Augen blitzte etwas auf, dass Nilah Angst machte.
«Was ist passiert? Die Haustür stand offen und Du ...», er blickte auf das verschüttete Badewasser.
«Ich glaube, ich bin ohnmächtig geworden.», antwortete sie tonlos. «Ich bin in die Wanne gestiegen und ... bin neben ihr wieder aufgewacht. Ich will nach Hause, Papa, bitte. Jetzt gleich!»
Er schaute sie an, als wolle er ergründen, was wirklich hinter dieser Bitte lag. Eine Mischung aus Liebe und Besorgnis.
«Ok, wir fliegen noch heute Abend.»
Nilah sah ihm nach, wie er mit energischen Schritten das Badezimmer verließ und hörte, wie er tief seufzte. Ein blinder Fleck war in ihren Gedanken. Ein Wort. Eine Bezeichnung. Aber sie konnte nicht den Schleier davon heben. Sie fühlte sich, als hätte man einen Schnitt in ihr Herz gemacht und etwas Wichtiges hinzugefügt. Dann ging sie packen.
Unter der Erde
Liran hatte geahnt, dass es eine Falle war. Aber er brauchte ein paar Antworten und wenn es
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