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Die Besucher

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Titel: Die Besucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ota Hofman
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natürlich. Das war nicht eine jener armseligen 3-D-Projektionen, wie sie das Erste Video-Weltprogramm (noch dazu mit den üblichen Störungen, wie gerade in den letzten Tagen) auszustrahlen pflegte.

    In den Büschen zwitscherten die Vögel. Die Sonne brannte. Mädchen pflückten Blüten und flochten Kränze daraus. Ohne Scheu legten die Menschen im Park die Kleider ab und sonnten sich auf dem Rasen. Thomas freute sich, als er das rothaarige Mädchen von tags zuvor wiedersah, dem er begegnen wollte. Heute glänzte das Haar der Unbekannten wie pures Silber. Er winkte ihr zu. Sie schien seinen Gruß erwartet zu haben, denn sie unterbrach das Füttern der Goldfische im Zierteich. »Wir haben uns doch schon irgendwo gesehen, oder?« Bewundernd betrachtete sie das Kontrollschildchen, das Thomas eben in den Zielschlitz der ersten freien Kabine stecken wollte, die in Richtung Süd abging. »Sie arbeiten also tatsächlich dort irgendwo?«

    »Jawohl, im ZD.«

    Tatsächlich! Das Kürzel ZD schien dem Mädchen ebenso zu imponieren wie jenes Kontrollschildchen. Es war zwar nicht ganz einwandfrei, was Thomas heute damit tat, aber das konnte nur er allein wissen. »Ich habe Zoolinguistik studiert, aber diese Wissenschaft braucht man heutzutage wohl nicht einmal mehr im Sternbild Proxima Centauri«, erklärte das Mädchen. »Wen interessiert es denn, was so eine Giraffe sich denkt? Und wer schert sich um die Ansichten der Aquariumfische?«

    »Unsinn! Vielleicht könnte man den ZD fragen?«

    »Könnten Sie das?«

    Das Mädchen hatte blaue Augen. (Das konnte ja heiter werden, wenn die Sensoren der Glaskabine seinen Ausweis abtasten und dabei jenen roten Warnpunkt entdecken würden, der über dem Datum 3. März 2484 saß! Dann würde die Kabinentüre einfach verschlossen bleiben.)

    Doch sie öffnete sich. Ein leises Klingelzeichen alle zehn Sekunden forderte ihn auf einzusteigen. Er konnte nur noch hastig sagen:

    »Morgen sag’ ich Ihnen mehr! Hier!«

    Die Kabine stieg hoch. Die Sonne verschwand. Tief unter ihm erschien ganz kurz das reale Bild der Stadt — silberfarbene, walzenförmige Wohnsiedlungen. In der Ferne starteten LC5-Fluglaster vom Raketenflugfeld. Thomas vernahm ein leises Knacken, als sich das Werbeprogramm automatisch einschaltete und sagte: »Auch Sie können zum Kolumbus des Weltalls werden!« Vorn, rechts und links des tropfenförmigen, gläsernen Armaturenbretts, erschienen unwirkliche Sternennebel, ferne Galaxien: »Neue Welten, die gerade Sie erwarten!« Aber Thomas schaltete die Werbeprojektion ab. Mit seinen zweiundzwanzig Jahren fühlte er sich für einen Kolumbus des Weltalls bereits zu alt. Noch dazu handelte es sich um eine naive, seit Monaten nicht mehr erneuerte Werbekampagne des Kosmoszentrums, das seit einiger Zeit selbst für seine Satelliten nur schwer Besatzungen finden konnte. Wen hätte es auch ins Weltall gedrängt, wenn er auf der Erde bleiben und in aller Ruhe humidieren konnte? Vielleicht nur Kinder.

    Die Uhr im Cockpit zeigte die genaue Zeit: 6.04 Uhr. Der Sekundenpunkt flimmerte. Thomas kam auf den Gedanken, man hätte sich im Datum irren können, aber es war wirklich Freitag, der dritte. Nach seinem Konditiogramm, das vom ZD ausgearbeitet worden war, war gerade dies der Tag seines allerelendsten Gesamtzustands in diesem Jahr: Alle Kurven unter dem Tiefpunkt; erhöhtes Irrtumsrisiko; seine psychische und physische Kondition schlechter als je. Eigentlich hätte ihn jede Kontrolle nach Hause schicken sollen, aber seltsamerweise fühlte er sich gerade heute großartig. Er mußte wieder an jenes rothaarige Mädchen mit der Silberperücke denken. Gerade ihretwegen war er ja nicht im Bett geblieben, wie er dies an einem so kritischen Tag eigentlich hätte tun müssen. Er hätte in seinen vier Bildschirmwänden bleiben und die Nase nicht aus dem Haus stecken sollen, aber er wollte doch dem Mädchen begegnen. Das war ihm ja auch gelungen, ja, er hatte sogar mit ihr sprechen können. Sie war also eine Tiersprachenforscherin, eine Zoolinguistin, nicht bloß eine von diesen jungen Dingern mit Blumen im Haar, die sich in der Stadt herumtrieben. Das freute ihn, obwohl er von der Zoolinguistik kaum eine Ahnung hatte. Er wußte gerade nur, daß es sie gab und daß Zoolinguisten versuchten, sich mit Pavianen und Regenwürmern zu verständigen. Warum eigentlich nicht? Das war doch so wie in diesen Märchen, wo der Prinz einer Ameise, und die Ameise dafür wieder dem Prinzen hilft. Seltsam war nur,

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