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Die Besucher

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Titel: Die Besucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ota Hofman
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oben im Zentrum noch ganz bei Trost? Ist der Zentraldenker verrückt geworden? Wer hat das mit diesem Huhn zu verantworten? Mir nichts, dir nichts schenkt ZD allen Kindern auf der Welt ein neues Spielzeug, ein Huhn mit Melone! ZD soll pädagogisch wertvolles Spielzeug entwickeln, Spiele wie >Satelliten erwarten dich!< oder so ähnlich, und zwar gemeinsam mit den Psychologen des Kosmozentrums...und nicht so einen Unsinn!«

    Mit einer Handbewegung scheuchte er das Huhn fort, das auf seiner Schulter Platz genommen hatte. Dieser kybernetische Vogel mit seiner Melone ging ihm allmählich ebenso auf die Nerven wie Thomas und Lia mit ihrer Alarmstufe Eins. So etwas hatte es in der Geschichte der Neuzeit, einer Epoche ohne Kriege, Angst, Krankheiten und Hunger, offenbar noch nie gegeben. »Ich soll eine außerordentliche Tagung des Weltrats einberufen? Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst?»

    Der Vorsitzende selbst war von Beruf Biochemiker. Ein glühender Punkt im Sternraum G 37 war ihm daher ziemlich egal. Da erregte ihn schon eher die Nachricht von einer unerwartet reichen Zitropom-Ernte auf der südlichen Halbkugel, die eine Überforderung des Seetransports zur Folge haben würde, wie das Agrozentrum ihm kurz zuvor mitgeteilt hatte.

    Noch einmal prüfte er die Projektion der Sternenwelt auf der Bildschirmwand über seinem Kopf. Genau in deren Zentrum glühte ein Punkt. Das alles glich mehr einem idiotischen, dreidimensionalen Video-Spiel, wie es sie das Fünfte Videoprogramm samstags früh ausstrahlte: »Invasion aus dem Kosmos« oder »Gefangene der Galaxis« hießen sie gewöhnlich. Und nun sollte eben ein solches Videospiel, etwa mit dem Titel »Komet im Angriff«, Wirklichkeit sein?

    Unwahrscheinlich. Aber andererseits gab es doch zwei über ZD rückgekoppelte Kontrollschaltungen, und man konnte einen solchen Alarm daher nicht auf die leichte Schulter nehmen. Vielleicht sollte man eine Kommission von Fachleuten einberufen? Der Vorsitzende entschloß sich, nichts zu riskieren. Nachdenklich schaltete er sein ALGO-Gerät ab. Um 6.39 Uhr befahl er seinem Sekretariat: »Archipenko und Johansson unverzüglich auftreiben!!!« — und, um 9.30 Uhr, nachdem er mit diesen beiden gesprochen hatte:

    »Den Weltrat einberufen!«

    Die Landefläche für Flugzeuge mit Raketenantrieb in der Korallenbucht glich einer aus dem Meer in die Wolken ragenden Riesenhand. An jenem 3. März des Jahres 2484 konnten ihre fünf Riesenfinger nicht alle Maschinen empfangen, die hier um elf Uhr morgens zur Landung anflogen. Auch die zweite, für landende Raumfahrzeuge bestimmte Hand war überlastet.

    In den Schnellfahrstühlen trafen Gruppen von Ratsmitgliedern zusammen. Ohne Rücksicht auf ihre Hautfarbe umarmten sich alte Freunde. Auch in diesem kritischen Augenblick hatte jeder noch seine privaten Sorgen:

    »Gerade heute hat mein Junge Geburtstag...«

    »Mich hat man aus dem Bett geholt!«

    Die Damen trugen meist feierliche Goldperücken und einen Sari mit Schmetterlingsmuster. Die Herren waren überwiegend in Blau aller Schattierungen erschienen.

    »Man sagt, diese Tagung habe Johansson einberufen?«»Dann wird sie ja sicher nicht lange dauern. Ich komme nämlich von den Bermudas. Wir arbeiten dort seit einem halben Jahr. Unsere letzten Forschungsergebnisse deuten auf phantastische unterseeische Entdeckungen hin. Die Gegend, in der wir forschen, war früher unter dem Namen >Bermuda-Dreieck< bekannt«.

    Um 11.30 Uhr hatten die Ratsmitglieder alles, selbst die Bermudas und den Geburtstag ihrer Kinder vergessen. Den Vorsitz der außerordentlichen Tagung führte in der Tat Johansson persönlich. Der Verwaltungsrat Land und der Verwaltungsrat See waren durch eine Fernverbindung angeschlossen.

    »Die Situation ist außerordentlich ernst. Die Erde ist bedroht. Wir haben die Angaben des Zentraldenkers überprüft. Was Sie jetzt an der Bildschirmwand verfolgen können, ist das simulierte Bild eines unbekannten Himmelskörpers, der sich zwar der Erde nähert, sie jedoch nicht treffen muß, sondern an ihr vorbeikommen kann, wobei allerdings das Risiko bleibt, daß die Erdachse sich entweder zur Sonne hin oder von der Sonne fort neigen kann.« Johansson verstummte. Während seiner Rede warf er ab und zu einen flüchtigen Blick auf das Display mit den Teilberechnungen, die ihm von einem den Akademiker Archipenko umgebenden Berater-Team zugespielt wurden. »Beide Alternativen hätten selbstverständlich katastrophale Folgen — nicht nur für uns,

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