Die Besucher
entschieden mehr erfrischen.«
Überall waren Apfelsinen. Auf den Betten und in Tüten auf dem Fußboden. Im und auf dem Schrank. Offenbar hatte der Doktor alle Früchte kaufen müssen, die er bei dem Zusammenstoß mit dem umgestürzten Obststand über den Marktplatz verstreut hatte.
»Das ist noch nicht alles«, fügte er in tragischem Ton hinzu. »Obwohl dies allen Grundregeln der Hygiene widerspricht, tragen die Leute hier offenbar ihre Unterwäsche mehrmals. Die Strumpfhosen, die Katja nur einmal am Körper hatte, hat das Stubenmädchen genommen und wäscht dieses Wäschestück jetzt, um es selbst zu tragen. Unsere Hemden, die wir in den Abfallkorb geworfen haben, haben die Handwerker unter sich verteilt. Den gestreiften Pyjama des Akademikers hat der Hotelleiter für sich behalten.«
»Das bedeutet aber...«
»...daß wir nicht den geringsten Irrtum begehen dürfen...Keine unsinnigen Vermessungen an der Schule, am Fußballplatz oder am Fluß mehr, wo nie eine Autobahn vorbeiführen wird...«
Der Doktor begann sich anzukleiden. Obwohl er es offenbar eilig hatte, vernichtete er mit pedantischer Sorgfalt den nur einmal benützten Pyjama im Vernichter-Köfferchen.
Dann auch seine Socken.
„Neue Methoden, Philipp! Ich, für meine Person, habe die Form des direkten Kontakts mit der Zivilisation des zwanzigsten Jahrhunderts gewählt. Historische Persönlichkeiten interessieren mich weniger. Daß der Große Lehrmeister Drichlik alles stiehlt, was nicht niet- und nagelfest ist? Was fang’ ich mit dieser Erkenntnis an, Philipp? Wozu ist das gut? Wir suchen ein Heft. Wesentlich sind nur grundlegende Informationen!«
»Zum Beispiel?«
»Daß Adams Mathematiklehrerin rothaarig ist.«
Doktor Noll ging an den sprachlosen Expeditionsteilnehmern vorbei, als habe er sich entschlossen, auf eigene Faust in dieser Zeit weiterzuleben. Dann kam er schnell noch einmal zurück, setzte seine vergessene Perücke auf und sagte in wichtigem Ton: »Ja, richtig, damit ich nicht vergesse: Morgen fällt der Unterricht aus. Es gibt einen Schulausflug zur Krucenburg!«
Katja preßte die Nase ans Fenster. Sie sah, daß der Doktor beim Betreten des Marktplatzes im Nu von einer Schar junger Damen umringt wurde. Zwei von ihnen kannte sie. Die blonde Verkäuferin aus dem Kaufhaus und Adams Lehrerin, Frau John. Die Rothaarige mit den langen Beinen sah sie allerdings zum ersten Mal.
Sie sagte anerkennend:
»Eine ganz nette Zivilisation. Ich werde wohl einen kleinen Spaziergang unternehmen...«
35. Der Morgen der Zauberer
Geld!
Blauer Dampf!
Pelzmäntel!
Karussell-Ede unterstrich diese drei Notizen, die er mit einem Tintenstift in ein abgegriffenes Notizbüchlein vermerkt hatte, wo er sonst nur den Tagesumsatz zu verzeichnen pflegte: Tierkarussell — 22 mal — Twister — 18 mal, stand dort.
Ferner:
Raub in Mariental: 1,5 Millionen!!!
Auto!
Farbwechsel?
Kennzeichen?
Fährt von allein? Zauber?
Sie vermessen anderswo!!!!!!
Gangster?
Anzeigen? Belohnung?
Obwohl Ede Wildwestfilme und solche mit Jean Paul Belmondo liebte, in denen der Schurke immer bestraft und der Held immer belohnt wird, zögerte er nur kurz, bevor er mit Bedauern die Worte »Anzeigen« und »Belohnung?« strich. Mit der hiesigen Polizei hatte er ja seine Erfahrungen gemacht. Die Strafe in Höhe von einhundert Kronen für nächtliche Ruhestörung hatte er bezahlen müssen. Wofür aber? Was hatten die Herren von der Polizei eigentlich festgestellt? Nichts! Nicht einmal, wer seinen Wohnwagen entzweigesägt hatte! »Was ich nicht mit dem Drehen meiner Karussells verdiene, hab’ ich einfach nicht!« brummte er in den Bart.
Draußen tagte es. Im Wohnwagen herrschte Halbdunkel. Ede zog seinen schlafenden Kindern die Decken bis ans Kinn. Sie schnarchten wie Bärenjunge. Das Klügste war wohl, alles zu vergessen oder jene seltsamen Geometer aufzusuchen und ihnen ins Gesicht zu sagen:
»Ich weiß alles!«
Na schön, aber die waren vier — und er war allein! Abgesehen davon, war er nicht Belmondo, und Beweise hatte er auch keine. Die mochten zwar im Hotelzimmer Nummer 3 zu finden sein, aber das war bisher nie leer...
…aber gerade jetzt war es wohl soweit!!!
Edes Herz begann heftig zu schlagen. Hinter einer Gardine versteckt, sah er im Morgengrauen das hellblaue Auto lautlos in den Hof des Hotels »Zum Löwen« gleiten. Vielleicht wollten diese Gangster das Städtchen bereits verlassen? Jedenfalls saßen alle vier im Auto. Jetzt
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