Die Besucher
Alte und zog an einem Strick eine Bierflasche aus dem Fluß. »Das sind die besten Dinge auf der Welt, mein Junge!«
»Und Fische«, ergänzte Adam.
»Und Fische«, gab der Alte zu. Er schnitt mit seinem Taschenmesser eine Schnitte Brot ab und bedeckte sie mit einer dicken Käseschicht. Eine Hälfte bekam Adam. »Und die Weiber. Die darfst du nicht vergessen!«
»Werd’ ich nicht«, sagte Adam. »Ich wäre früher gekommen, aber diese Geometer waren mir auf den Fersen.«
»Die kannst du vergessen.«
»Warum denn? Dieses Mädel, das zu ihnen gehört, ist zufällig pikobello! Ihr Anführer hält das Mädel wohl fest an der Strippe. Schwarzer Anzug, schwarzer Hut. Sieht aus wie ein Mafioso.«
Der Akademiker errötete. Katja war gerührt. Karas hatte Sinn nur für eines; Er witterte den berauschenden Duft des Käsebrots.
»Warum müssen sie gerade hierher kommen?« Adam hatte immer noch die Geometer im Sinn. »Wollen sie denn diese Autobahn über den Fluß führen?«
»Wenn es so geplant ist, werden sie das tun. Darüber mußt du dir nicht den Kopf zerbrechen«, meinte der Alte mit einer entsprechenden Handbewegung und nahm einen Schluck Bier.
Ein kleiner Fisch hatte angebissen. »Ein Knirps«, schätzte der Alte die Beute. »Wirf ihn zurück und paß gut auf, was das Wasser machen wird!«
»Was sollte es machen? Spritzen! Und dieser Knirps ist froh, daß er zurück darf. Er schwimmt davon!«
»Und wenn du einen Stein hineinwirfst?«
»Dann geht er unter.«
»Nicht immer. Wenigstens nicht sofort. Es kommt darauf an, wie du ihn wirfst und wie er geformt ist.«
»Sie meinen einen flachen Stein? Wenn man Steine tanzen läßt?«
»Genau! Was siehst du dann?«
»Er hüpft!« Schon der erste Wurf Adams gelang. Der flache Kiesel hüpfte über die Wasserfläche bis zur Flußmitte. Er stieß sich neunmal ab, dann erst ging er unter.
»Aber wie springt der Stein? Unterschiedlich! Der erste Hüpfer ist kurz, der zweite lang. Dann folgt wieder ein kurzer und ein langer Sprung...und so immer weiter. Das geht mir seit dem Morgen nicht aus dem Kopf. Ich hab’ das am Ufer im Sand versucht. Dort bleiben Spuren, aber am Wasser sieht man das besser.«
Die drei Lauscher am Theodoliten hielten den Atem an. Sie beobachteten den nur mit einer zerrissenen Hose bekleideten Alten. Er warf einen Stein nach dem andern in den Fluß. Dann öffnete er sein Taschenmesser und zeichnete in den Lehm und Schlamm eine seltsame Wellenlinie, die die Bahn des Steins darstellte. Einen Teil der Skizze wischte er mit dem nackten Fuß fort, dann korrigierte er die Wellenlinie.
»Verstehen Sie das?« Um ein Haar wäre Philipp mit dem Theodoliten vom Felsen gestürzt. »Erinnert Sie das an etwas, Katja?«
»An das Prinzip der Bernauschen Kurve des Übergangs in den Zeit-Raum...« Katja versuchte mit dem Finger in der Luft die Wellenlinie des Alten nachzuziehen. Alles glich einer Sinnestäuschung. Vielleicht kam das vom Barfußgehen. Die Skizze im Sand; die gehörnte Ziege, auch das Rauschen des Flußes. »Das haben wir doch schon als Kinder gelernt...«
»Ich erkläre mir das so«, sagte der Alte und nahm wieder einen Schluck von seinem Bier, »daß der Stein zuerst gebremst wird, dann gerät er in Drehungen und während er sich so dreht, prallt er ab, springt und wird wieder abgebremst...«
»Aber warum?«
»Weil er sich im Kreis dreht.«
Der Alte blickt sich suchend um. Dort, wo die Ziege angepflockt war, entdeckte er einen Ziegelstein. Er hob ihn auf und zeigte ihn Adam.
»Denk mal nach! Was ist das?«
»Ein Ziegelstein.«
»Und der ist wie? Rund?«
»Nein, kantig.«
»Er sollte daher eigentlich kantige Wellen schlagen?« Der Alte warf ihn in den Fluß. »Wie du siehst, tut er das nicht, sondern er erzeugt nur lauter Kreise. Selbst wenn du einen Schuh hineinwirfst, wird es wieder nur einen Kreis geben...«
»Warum aber, Herr Drichlik?«
»Weil der Kreis das Wesen aller Dinge ist«, sagte der Große Lehrmeister einfach, wie es einem Großen Lehrmeister gebührt, wenn er seinen genialen Schüler belehrt. Dann griff er nach dem Strick, um eine weitere Bierflasche aus dem Fluß zu ziehen. »Denk mal nach! Alle mächtigen, wichtigen und schönen Dinge sind rund. Die Erdkugel, der Mond, die weibliche Brust, auch die Sonne und die Sterne über unseren Köpfen.«
Der Kreis war geschlossen.
Dieser Mann hieß Drichlik!
Nicht Drábek!
Die Erinnerungen hatten also nicht gelogen. Der Akademiker vergaß
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