Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Betäubung: Roman (German Edition)

Die Betäubung: Roman (German Edition)

Titel: Die Betäubung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
Vom Netzwerk:
Vorschlag! Tausend Dank!«
    Sie registriert seinen sarkastischen Unterton, als sie zur Tür hinausgeht. Aber dafür hat sie jetzt keine Geduld mehr, sie will an die Arbeit.
    In dem Operationssaal, der ihnen zugewiesen wurde, steigt Harinxma gerade von seinem Tritt herunter.
    »Übernimm du das Schließen«, sagt er zu seiner schüchternen Assistentin. »Und ein bisschen ordentlich bitte. Nicht zu straff, sonst fängt das Ganze an zu gammeln.«
    Er erzählt Suzan, dass der Patient gestern operiert worden sei und heute Morgen eiligst noch einmal unters Messer gemusst habe. Er habe zwei Kilo Blutgerinnsel aus dem Brustraum entfernt. Sie liegen wie tiefrote Knollen in einer Metallschale.
    Suzan bespricht sich mit Kees, der geduldig auf einem Hocker am Kopf des Patienten sitzt.
    »Noch zwanzig Minuten«, sagt er, »dann können wir anfangen. Er sagt zehn, aber das ist natürlich Unsinn. Ich habe der Blutbank schon Bescheid gegeben. Es wird sich bis Mitternacht hinziehen, fürchte ich. Eigentlich Wahnsinn, so spät noch anzufangen. Willst du dich heute Abend ablösen lassen? Ich bleibe.«
    »Ich auch«, sagt Suzan. Lieber hier als zu Hause, lieber beschäftigt als frei.
    Nach einer guten halben Stunde können sie endlich damit beginnen, die Geräte aufzustellen und die Aufgaben zu verteilen. Ein Putzmann wischt das Blut vom Fußboden auf, und die Kardiotechniker fahren ihre Maschinen herein. Suzan lehnt an der Wand und wundert sich über die Heiterkeit der Männer, ihr lautes Gewitzel und ihren uneingeschüchterten Umgang mit dem hereinspazierenden Gefäßchirurgen. Hier herrscht eine Atmosphäre, als brächten wir ein Kriegsschiff in Stellung, denkt sie. Als bereiteten wir uns auf eine entscheidende Schlacht mit unvorhersehbarem Ausgang vor und die Kanoniere machten ihre Geschütze gefechtsklar. Um den Tisch steht ein Wald von Infusionsständern. Auch an dem Querbalken zwischen zwei Pfeilern sind Haken angebracht, an denen Beutel und Päckchen aufgehängt werden können. Die zahlreichen Schläuche werden einen regelrechten Vorhang bilden. Sjoerd schleppt große Pakete Infusionslösung herbei und stapelt sie in Kisten an der Wand auf.
    »Vorsorge ist die halbe Arbeit!«
    Suzan lacht. Allard schiebt sich mit gesenktem Kopf in den OP und nimmt sich der Medikamente an. Er zieht eine Spritze nach der anderen auf und legt sie säuberlich nebeneinander auf ein Tablett. Sein Haar kräuselt sich im Nacken unter der Haube hervor. Suzan kann den Blick nicht von ihm lösen. Sie ist froh, als Kees alle zusammenruft.
    »Die Patientin wurde vor zehn Jahren schon einmal aufgemacht, eine lange Geschichte von Herzproblemen. Heute ersetzen wir die Aorta. Wir werden gleich positionieren – holst du sie schon mal, Suzan? – und Zugänge legen. Sie bekommt zwei periphere Zugänge und einen zentralen Venenkatheter. Drei Arterienkatheter, einen in der Lende. Den spinalen Drain mache ich selbst. Die untere Körperhälfte kommt an die Herz-Lungen-Maschine, die obere beatmen wir.« Er sieht die Kardiotechniker an; die heben die Daumen.
    »Das Blut fangen wir auf und bereiten es mit dem Cellsaver für die Rücktransfusion auf. Sjoerd, du kümmerst dich um die Lösungen. An- und Abfuhr.« Sjoerd nickt.
    »Das Ganze ist nicht ohne, wenn wir Pech haben, laufen ohne weiteres hundert Liter durch. Während der Operation mache ich im Prinzip die Gesamtüberwachung, und Suzan kümmert sich um Flüssigkeitshaushalt und Medikation. Assistiert von Allard, nicht wahr?«
    Allard schaut auf. Er steht etwas abseits, eine Spritze in der Hand. Er weicht meinem Blick aus, denkt Suzan, er will nicht hier sein, nicht bei mir. Unsinn, wir müssen arbeiten. Wir können nicht ungeschehen machen, was geschehen ist, aber vergessen können wir es schon. Einfach eine neue Seite aufschlagen, oder wie sagt man das, einen Neustart machen, was auch immer. Keine Vorwürfe, kein Gejammer, keine Probleme.
    Sie macht sich auf den Weg, um die Patientin zu holen, und bittet Sjoerd, sie zu begleiten.
    »Bist du nervös?«, fragt er.
    »Angespannt«, sagt Suzan. »Es wird ein Blutbad werden, wir werden also alle Hände voll zu tun haben, das auszugleichen. Wir müssen auf alles Mögliche achten. Elektrolyte. Gerinnungsfaktoren. Wenn sie die Aorta abklemmen, gerät die Blutzufuhr zum Rückenmark in Gefahr, und die Patientin könnte eine Querschnittslähmung bekommen. Ich verlasse mich auf Kees. Für einen solchen Eingriff braucht man ein gutes Team und jemanden, der alles überblickt,

Weitere Kostenlose Bücher