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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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andre ist von Urle, nicht wahr? Urle war der beste von uns, er ist bestimmt gleich vom Fegefeuer in den Himmel gekommen.»
    Sie schwiegen, bis der junge Kellner kam, um abzuräumen.
    «Du siehst müde aus», sagte Sophie. «Ich bring dich jetzt zu mir heim, da kannst erst mal wohnen.»
    Sie erhob sich und tippte dem Jungen auf die Schulter. «Schreibst alles auf, gell, Franz?»
    «Ja, natürlich. Bis später, Fräulein Sophie.»
    Sophie nickte den übrigen Gästen zu und schob Theres in Richtung Tür. Als sie draußen auf der Gasse standen, fragte Theres: «Warum bis später? Kommst nochmal hierher?»
    «Ja. Die Caféwirtschaft ist nämlich meine Arbeitsstätte. Seit zwei Jahren schon.»
    «Ich dacht, da tragen nur Männer auf?»
    «Am Abend nicht», entgegnete sie knapp.
    Sophie wohnte in einer Seitengasse des Münsterplatzes in einem schmalen Fachwerkhaus. Im Erdgeschoss befand sich ein gemischtes Detailgeschäft, ähnlich dem, das Adams Vater in Ravensburg geführt hatte. Darüber gab es zwei Wohnungen, deren einzelne Zimmer an ledige Frauen vermietet waren.
    «Ich wohn allein neuerdings. Ein richtiger Luxus, sag ich dir!» Sie schloss die Tür auf. «Hereinspaziert in mein kleines Paradies!»
    Theres staunte. Der Raum war nicht sonderlich groß, besaß auch nur ein einziges Fenster, aber er war frisch geweißelt und damit sehr hell und freundlich. In der Ecke befand sich ein richtiges Bett mit Daunendecke, breit genug für zwei, darüber wachte der heilige Christophorus, in grellbunten Farben gemalt. Auf dem zierlichen Waschtisch stand eine schneeweiße Porzellanschüssel mit Goldrand, die gewiss unglaublich wertvoll war. Und statt einer Kleiderkiste besaß Sophie doch tatsächlich eine Kommode mit drei Schubladen, mit Messingbeschlägen und geschnitzter Zierleiste. Eine Vase aus dunklem Rauchglas mit roten und blauen Stoffblumen darin, Samt womöglich, verlieh dem Raum fast etwas Vornehmes. Nein, so sah wahrhaftig keine Dienstmädchenmansarde aus.
    «Die Küche muss ich mir halt mit fünf anderen teilen und den Abort sowieso. Aber ich ess eh meist im Caféhaus.» Sie öffnete die Tür zu einer Abstellkammer und kam zurück mit einer Karaffe und zwei Bechern, die sie auf den Waschtisch stellte.
    «Trinken wir auf unser Wiedersehen! Und dass wir uns nie mehr aus den Augen verlieren.»
    Sophie setzte sich aufs Bett, Theres ihr gegenüber auf den einzigen Stuhl. Ihre Hände zitterten ein wenig, als sie den Becher mit Rotwein entgegennahm.
    «Ich kann doch nicht einfach hier wohnen. Ich hab keinen einzigen Heller. Und ist’s nicht verboten, Fremde aufzunehmen? So was wird doch kontrolliert in der Stadt.»
    «Ach was. Hier im Haus verrät niemand was, außerdem kenn ich den Viertelsbüttel persönlich. Jetzt bist halt einfach mal mein Gast und dann suchst eine Arbeit.»
    Theres nickte. «Ich hab gedacht, vielleicht könnt ich in eine der neuen Fabriken gehen. Als Arbeiterin bist freier und längst nicht bis in die Nacht am Gängelband der Herrschaften. Und man verdient auch mehr, gell? Von Kasimir weiß ich   …»
    Sie biss sich auf die Lippen, und augenblicklich schossen ihr die Tränen in die Augen.
    «Ach herrje! Da ist ein Mannsbild im Spiel, dacht ich mir’s doch gleich. Deshalb schaust so elend aus.»
    «Nein, nein, das ist aus und vorbei. Da ist nix mehr.» Sie unterdrückte ein Schluchzen.
    Sophie beugte sich vornüber und streichelte ihr die Hand. «Er hat dich sitzenlassen, dieser Kasimir, gell? Die Kerle sind doch alle gleich. Ist es einer aus der Stadt?»
    Theres wischte sich über die Augen und schüttelte den Kopf. «Der ist gestorben für mich. Ich werd ihn vergessen und nie wieder drüber reden.»
    Am Abend war Theres allein, und plötzlich brach das ganze Elend über sie herein. Sie konnte machen, was sie wollte: Immerfort hatte sie Kasimirs freches Lächeln vor Augen, hörte ihn flüstern: Sei meine Frau!, spürte seine zärtlichen Hände an ihrem Körper, seine leidenschaftlichen Küsse auf den Lippen. Bis von irgendwo ein hämisches Lachen ertönte und jener Satz, der sich endlos wiederholte: Der hat für jeden Wochentag eine andre! Wie hatte sie nur so liederlich sein können, sich für so einen herzugeben? Sich wegzuschmeißen für einen elenden Lügner? Die Scham brannte wie Feuer in ihr, hin und her wälzte sie sich unter der Daunendecke, bis sie sich endlich in den Schlaf weinte und nicht einmal hörte, wann Sophie nach Hause gekommen und zu ihr ins Bett geschlüpft war.
     
    Am nächsten

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