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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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sie irgendeine Ahnung von der Liebe. Und schließlich war bei ihr ja alles aus Liebe geschehen. War es nicht ein Ding der Unmöglichkeit, was die Kirche von ihren Schäfchen forderte: nämlich die Lust nur zum Zwecke der ehelichen Fortpflanzung zuzulassen? Keine Frau der Welt würde sich nur um der Empfängnis willen auf einen Mann einlassen, wenn nicht auch Begehren und Liebe mit im Spiel waren. Wo doch jede Geburt zum Wettlauf mit dem eigenen Tod werden konnte!
    Sie zuckte zusammen, als Sophie mit lautem Scheppern das Geschirr ineinanderstellte. Ja, sie selbst hatte gewiss auch gesündigt, aber das, was ihre Freundin trieb, war schamlos und durch und durch lasterhaft!
    «Ein Verbrechen vor Gott ist es allemal», stieß sie hervor.
    «Du bist immer noch gleich schenant wie früher, Theres. Wenn Rosina und ich damals über die Heuchelei der feinen Bürgersleut gespottet haben und die Dinge beim Namen genannt,da hast du immer einen hochroten Kopf gekriegt. In den Augen der Pfaffen ist doch alles Sünde, was nur irgendwie mit Lust und Begierde zu tun hat. Aber Gott hat uns Menschen all das nun mal gegeben. Und warum sollt ich grad auf die Worte der Pfaffen hören, die kein Weib besteigen dürfen und nach nix andrem als gerade danach lechzen und gieren? Außerdem muss ich irgendwie überleben.»
    Ihre Freundin hatte sich in Rage geredet, die rehbraunen Augen blitzten wütend. Theres konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Wie eine mächtige Welle schlug alles über sie herein. Ihre eigene erbärmliche Lage, ihr Liebesschmerz, die Erkenntnis, dass ihre beste Freundin offenen Auges in ihr Verderben lief.
    Sophie setzte sich neben sie.
    «Du verachtest mich, gell?»
    Theres starrte zu Boden. Dann wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und schüttelte den Kopf.
    «Nein. Ich hab einfach Angst um dich.»
    «Das musst du nicht.» Sophies Miene hellte sich wieder auf. «Ich weiß genau, was ich tu.»
    «Aber – was machst dann, damit nix passiert? Dass du kein Kind empfängst?»
    «Weißt du das etwa net?»
    Theres schüttelte den Kopf. Ihr war, als hätte sie die letzten fünf Jahre droben auf dem Mond gelebt, so wenig verstand sie, das wurde ihr nun bewusst, von all diesen Dingen.
    «Am besten lässt du den Männern ihr Johannesle gar net erst rein.» Sie grinste und legte ihr den Arm um die Schultern. «Jetzt im Ernst: Im rechten Moment, also wenn der Mann schneller und lauter wird, musst den Atem anhalten. Zugleich musst mit deinem Schoß eine drehende Bewegung machen. Das verhütet die Empfängnis. Eine alte Zigeunerin hat mir malerzählt, dass die Frauen früher essiggetränkte Schwämme und Pessare genommen haben, aber damit kenn ich mich net aus. Nur auf eines verlass dich besser nie: Darauf, dass der Mann achtgeben würde. Also mit diesem Cotus ruptus oder wie das heißt. Das wär, als würd ein Wolf im Schafstall sagen, ich mag keine Lämmer und Zicklein, ich mag nur mal dran schnuppern. Auf die Weis wirst mit Sicherheit irgendwann schwanger. Was ist, Theres? Warum bist du so blass auf einmal?»
    «Weil   …»
    Theres’ Hände krampften sich zusammen.
    «Jetzt red schon. Du kannst mir alles sagen. Von mir weißt ja auch alles. Ist’s wegen diesem Kerl, diesem Kasimir?»
    «Vielleicht bin ich schwanger.» Sie keuchte ihn hinaus, diesen Satz, als habe er seit Tagen schon, seit Wochen in ihrem Hals gesteckt. Augenblicklich wurde sie ruhiger. «Vielleicht bin ich schwanger», wiederholte sie leise. «Genau das hatte er nämlich versprochen. Dass er achtgeben würd.»
    «Wart ihr oft beisammen?»
    «Dreimal nur.»
    «Hör – bei dreimal wird schon nix passiert sein. Hast denn dein Monatliches schon regelmäßig?»
    «Regelmäßig nicht grad, und auch noch net so lang.»
    «Na also. Dann solltest dich auch nicht verrückt machen. Und jetzt muss ich los. Es wird sicher spät heut, brauchst also nicht zu warten.»

21
    Oberamtsstadt Ulm, Sommer/​Herbst 1844
    Die ersten Wochen verbrachten sie viele schöne Stunden miteinander, vor allem, als Sophie schon bald nach Theres’ Einzug einige Zeit zu Haus blieb, weil sie ihre unreinen Tage hatte – mit Einverständnis ihres Brotgebers im Übrigen. Schließlich kamen die meisten Gäste ihr beim Bedienen recht nahe.
    «Da kann ich noch so viele Unterröcke und noch so dicke Stoffbinden tragen – es stinkt einfach!», drückte es Sophie in der ihr eigenen drastischen Art aus und grinste dabei belustigt, «na ja, in der Zeit hab ich wenigstens mal Ruh vor meinen

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