Die Bettelprophetin
einen Blick auf dieses traurige Bildnis werfen.
«Warum bist du so bleich jetzt?» Sophie griff nach ihrer Hand. «Ist’s wegen deiner Sach? Machst dir immer noch Sorgen? Hör zu: Du ziehst dich jetzt an und gehst in die Küche runter. Da steht noch ein Topf mit Kaffeesatz. Koch uns einen Kaffee, ich bin gleich wieder da.»
Eine Stunde später war Sophie vom Markt zurück. In ihrem Korb lagen allerlei Kraut und Gemüse.
«Ich mach dir jetzt einen Brei. Aus Meerrettich, Garbenkraut und Rhabarber, das hilft. Du bist nämlich verstopft, vom falschen Essen. Viel zu viel Lauch und Salat haben wir in letzter Zeit gegessen, und kalt gebadet in der Donau hast du auch zu oft.»
Aber der eklige Brei half rein gar nichts. Im Gegenteil: Die nächsten Tage spuckte und würgte Theres, und selbst als sie schon längst nichts mehr im Magen hatte, war ihr ständig übel. Sophie wollte einen Arzt holen, aber Theres wehrte ärgerlich ab.
«Das ist nur von deinem Brei. Lass mich bloß in Ruh mit deinen Mittelchen.»
«Wie du meinst.»
Tatsächlich war drei Wochen später alles vorbei. Dafür konnte Theres nun keinen Blumenduft mehr ertragen. Jedes Mal, wenn sich Sophie vor ihren Stelldicheins damit besprühte, musste sich Theres die Nase zuhalten.
«So langsam benimmst du dich wie eine komische alte Jungfer», maulte Sophie. «Es wär wirklich besser, du hättest eine Arbeit. Dann würdest dich auch nicht immer in meine Angelegenheiten mischen.»
«Vielleicht wär’s das Beste auszuziehen», entgegnete Theres bissig. Immer häufiger waren sie in letzter Zeit aneinandergeraten.«Ich lieg dir ja jetzt schon fast zwei Monate auf der Tasche.»
«Das tust du nicht, und das weißt du auch. Aber trotzdem brauchst nicht deine Launen an mir auslassen.»
An diesem Tag nahm Theres tatsächlich eine Arbeit im Waschhaus drüben im Fischerviertel an. Bald schon taten ihr alle Knochen weh, wenn sie abends heimkehrte, die Beine waren vom Stehen geschwollen, die Hände schrundig und rot von der Lauge und den scharfen Riffeln am Waschbrett. Dazu kam die ständige Müdigkeit.
Als der Herbst die Blätter golden färbte, musste sie zum ersten Mal ihre Arbeit zu Mittag abbrechen und nach Hause gehen, so heftig waren die Schmerzen in Rücken und Unterleib.
«Heilige Mutter Gottes!», rief Sophie, die ihr die Tür öffnete. «Du bist ja kreideweiß im Gesicht. Und ganz blaue Schatten hast du unter den Augen.»
Sie schob Theres in Richtung Bett. Dabei stieß sie mit dem Arm gegen ihre Brüste, und Theres verzog schmerzvoll das Gesicht.
«Das sieht gar nicht gut aus», sagte Sophie ernst.
Schwer atmend legte sich Theres nieder. Es gab keinen Zweifel mehr: Sie war schwanger von Kasimir, von diesem elenden, hergelaufenen Schürzenjäger. Gott hatte ihr Flehen nicht erhört.
In diesem Augenblick spürte sie zum ersten Mal, wie das Kind in ihrem Bauch sich regte.
«Du kannst mindestens zweihundert Gulden rausschlagen! Du wärst schön dumm, wenn du es nicht tätest.»
«Hör auf damit, Sophie. Ich weiß nicht mal, wo Kasimir jetzt steckt.»
«Dann find es heraus.»
«Soll ich in dem Zustand etwa nach Ludwigsburg laufen, mitten hinein in die Kriegsschule, und nach dem Kindsvater fragen, der mich verunglückt und sitzengelassen hat? Soll ich mich zum Gespött der Soldaten machen?»
Theres sog hörbar die Luft ein. Wäre Kasimir jetzt zur Tür hereinmarschiert – sie wäre ihm ohne Zögern an die Gurgel gefahren. Ihre Wut und Verzweiflung hielten sich inzwischen die Waage. Wochen-, ja monatelang hatte sie es geschafft, ihren Zustand zu verdrängen, doch inzwischen wölbte sich ihr Bauch unübersehbar rund unter dem Stoff ihrer Schürze. Ohne den Beistand ihrer Freundin wäre sie sicher verrückt geworden vor Scham und Angst oder hätte sich vom nächsten Hausdach gestürzt.
Sophie legte grobe Holzspäne in den Ofen, um die schwächlich zuckenden Flammen anzufachen.
«Mist», schimpfte sie vor sich hin. «Bei dem blöden Sturm zieht der Ofen rein gar nicht.»
Sie richtete sich wieder auf. «Hör zu. Ich begleite dich. Mein treuer Friedemann gibt uns gewiss das Geld für eine Kutsche.»
Als Theres heftig mit dem Kopf schüttelte, fuhr sie fort: «Du musst an dein Kind denken. Zweihundert Gulden Entschädigung sind da gar nix. Diese Hurenhengste denken doch alle: Kittel aus und Hose runter und nach mir die Sintflut. Und die Frau steht dann da mit ihrem Bankert. Es ist grad schad, dass du nie im Caféhaus gearbeitet hast. Dann könntest
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