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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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nämlich dein Geld von irgendeinem der hiesigen Mannsbilder einklagen – am besten sucht man sich einen Ratsherrn oder reichen Kaufmann. Für die sind wir einfachen Frauen doch eh alle Freiwild, da ist’s nur gerecht, wenn man sich mal was zurückholt.»
    «Sophie!»
    «Schon gut. Ich glaub, du musst erst noch lernen, wie das Leben gestrickt ist.»
    «Dein Leben vielleicht! Meins sieht anders aus – au!»
    Mit einem qualvollen Stöhnen krümmte sich Theres zusammen.
    «Rasch, leg dich aufs Bett. Zieh die Beine an. Ja, so ist’s gut.»
    « Was – ist – das ? Kommt es jetzt – das Kind?»
    «Unsinn. Es ist viel zu früh. Schnauf einfach ruhig durch.»
    Sie holte vom Waschtisch ein feuchtes Tuch und legte es Theres auf die verschwitzte Stirn. Plötzlich wurde ihr Blick starr.
    «Da ist alles nass an deinem Rock. Du musst sofort ins Spital.»

22
    Oberamtsstadt Ulm, Winter 1844/​45
    Morgen würde sie die Gebärstube des Ulmer Heiliggeistspitals, wo noch drei weitere Mütter mit ihren Neugeborenen untergebracht waren, verlassen und in den Frauenschlafsaal wechseln. Sofern sie ausreichend Milch produziere, hatte der Stiftungsrat ihr zugestanden, dürfe sie im Spital bleiben und ihr Kind stillen, bis es zu Kräften käme. Was danach sein würde, stand in den Sternen.
    Traurig betrachtete sie das winzige Wesen in ihrem Arm. Ihre kleine Johanne sollte hinüber ins Kinderhaus gebracht werden, Theres durfte sie dann nur noch dreimal tagsüber und einmal des Nachts zum Stillen aufsuchen. Sie selbst sollte die hohen Unkosten, die sie der Armenfürsorge verursacht hatte, in der Arbeitsstube mit Stricken abarbeiten.
    «Immer dasselbe mit euch jungen Mägden», hatte der Spitalarzt sie während der Presswehen angeschnauzt, «erst sichschwängern lassen und dann nicht mal das zum Wochenbett Nötigste angespart haben. Und wenn ihr hernach wieder in Dienste geht, bringt ihr euren Lohn mit Luxus und wertlosem Tand durch, und die Gemeinde kann für die Bälger sorgen. Und das alles auch noch ausgerechnet am Weihnachtstag!»
    Sie hatte dieses Kind nicht gewollt und doch von der ersten Sekunde an geliebt, als es nach zwei qualvollen Tagen endlich, am Morgen nach Weihnachten, auf der Welt war – Wochen zu früh und einiges zu schwächlich, wie Arzt und Hebamme einhellig erklärt hatten. Eiligst hatte man nach dem einzigen katholischen Pfarrer in der Stadt geschickt, weil man fürchtete, das Kind würde ohne das Sakrament der Taufe diese Welt wieder verlassen. Auf die Frage, wie es heißen solle, hatte Theres nicht gezögert: Johanne, nach ihrem Bruder Hannes. Dann war sie erschöpft eingeschlafen und erst wieder erwacht, als die kurze Taufzeremonie vorüber und der Pfarrer verschwunden war.
    «Bete zu Gott, dass dein Kind die Brust annimmt», hatte die Hebamme ihr gesagt. «Sonst überlebt es die Nacht nicht.»
    Das war vor drei Tagen gewesen, und Johanne war am Leben geblieben. Zwar waren Ärmchen und Beinchen noch dünner geworden, aber der Schrei nach der Brust dafür umso kräftiger.
    Jetzt schlief Johanne, satt und zufrieden, die winzige Faust gegen die Wange gepresst. Liebevoll strich Theres ihr über den weichen, hellen Flaum am Schädel.
    «Du wirst sehen, alles wird gut», flüsterte sie. «Wenn wir erst hier raus sind, gehen wir zu meiner Freundin Sophie. Die wird uns weiterhelfen, ganz bestimmt.»
    In diesem Augenblick wurde von draußen schwungvoll die Tür aufgerissen, und die oberste Krankenwärterin trat ein. In ihrem Schlepptau hatte sie zwei Herren: einen älteren, sehrvornehmen in Frack und Zylinder und einen jüngeren, dürren Kerl mit blondem Backenbart, grauem, breitrandigem Filzhut und einer Mappe unterm Arm. Der setzte sich sofort grußlos an das einzige Tischchen im Raum und zog allerlei Schreibutensilien aus der Mappe.
    «Ist sie das?», fragte der mit dem Zylinder.
    Die Krankenwärterin nickte. «Theres, das ist ein Herr vom Kirchenkonvent. Du wirst ihm Rede und Antwort stehen, und wehe dir, du lügst. Verstanden?»
    Die Frau nahm ihr den schlafenden Säugling aus dem Arm und legte ihn in die Wiege. Dann zog sie einen Stuhl für den Herrn vom Kirchenkonvent an Theres’ Bett. Verunsichert richtete sich Theres auf. Was wollte dieser Mann von ihr?
    «Du bist also Theres Ludwig», begann er mit seinem Verhör, ohne sich und seinen Begleiter weiter vorzustellen.
    «Ja, Herr.»
    «Geboren wo und wann?»
    «Im Oktober 1824 in Bietingen bei Messkirch.»
    «Wie

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