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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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getauft?»
    «Katholisch.»
    «Ehestand?»
    «Ledig.»
    Ihr fiel auf, dass der Mann starr an ihr vorbeiblickte, als gäbe es hinter ihr etwas ungleich Interessanteres zu sehen.
    «Heimatrecht wo?»
    Theres musste einen Augenblick nachdenken. Nach ihrem Heimatschein hatte sie schon lange niemand mehr gefragt.
    «In Ravensburg», antwortete sie wahrheitsgemäß.
    «Vater? Mutter?»
    Sie stockte. Woran sie seit Jahren nie wieder gedacht hatte, schoss ihr nun schmerzhaft in den Sinn. Zwei Bilder tauchten vor ihr auf: das Gesicht eines hässlichen alten Weibes in einerkahlen Zelle. Und ein fröhlicher junger Mann, der seine Schafe durch die grünen Wiesen trieb.
    «Jakob Ludwig aus Ravensburg», log sie. «Und Maria Bronner aus Eglingen.»
    «Heimatgemeinde der Eltern?»
    «Sie sind beide verstorben», log sie ein zweites Mal, und sie war selbst erstaunt, wie leicht es ihr fiel.
    «Schule?»
    «Elementarschule in Weingarten.»
    «Waisenhaus oder Vagantenkinderinstitut?»
    «Vaganteninstitut», murmelte sie.
    Der Mann runzelte die Stirn. Dann fuhr er fort mit seiner Befragung über ihren weiteren Werdegang, ihre Arbeitsstellen, ihre Aufenthaltsorte. Der Blonde drüben am Tisch kritzelte eifrig alles mit.
    «Ist es die erste Geburt?»
    Da erst begriff Theres. Es ging um Johannes uneheliche Geburt, um das, was gemeinhin Unzuchtsvergehen genannt wurde.
    Theres nickte befangen.
    «Wer ist der Kindsvater?»
    «Kasimir Eichele, Lieutenant der Kavallerie.»
    «Wo stationiert?»
    «Ich weiß nicht. Es heißt, er wär wieder in Ludwigsburg, auf der Kriegsschule.»
    «Aha, ein Soldatenliebchen», kicherte der junge Mann vom Tisch herüber.
    «Lassen Sie solche Bemerkungen, Bolz! Schreiben Sie: Kindsvater unbekannt verzogen.» Der Herr rückte seinen Zylinder gerade und erhob sich. «Ich denke, in diesem Fall greift das übliche Verfahren: Der Kirchenkonvent der Stadt Ulm beschließt hiermit, dass die Vormundschaft der leiblichen Mutter entzogenund dem Konvent übertragen wird – mit Begründung der Tatsache, dass die Verunglückte vorbelastet ist, weil selbst aus losen Verhältnissen. Das leibliche und geistige Wohl des Kindes mit allen diesbezüglichen Entscheidungen obliegen künftig der öffentlichen Fürsorge. Nach Abschluss des Verfahrens ist die gänzliche Verpflegung der Stadt Ravensburg zu überantworten, da Heimatgemeinde der ledigen Mutter.»
    Theres sackte in sich zusammen. «Was soll das heißen?»
    Ihre Frage wurde kurzerhand überhört. «Des Weiteren hat die ledige Magd Theres Ludwig die Unzuchtsstrafe von fünfzehn Gulden zu begleichen.»
    «Fünfzehn Gulden! So viel Geld habe ich gar nicht.»
    Der Mann vom Kirchenkonvent betrachtete sie kühl. «Du hättest dir dein schändliches Tun eben früher überlegen müssen.»
    «Oder du wärst», sagte der Schreiber, «zum Entbinden nach Tübingen gegangen, an die Universität. Da wird die Strafe erlassen, wenn du das Balg zu Untersuchungszwecken der Wissenschaft überlässt.»
    «Also, Theres Ludwig: Ich gebe dir eine Woche Zeit, das Geld aufzubringen und auf dem Rathaus bei Gerichtsaktuar Bolz einzuzahlen. Andernfalls droht dir eine Arreststrafe.»
     
    Verzweifelt wartete Theres auf ein paar freie Stunden, um das Spital verlassen zu können und Sophie aufzusuchen. Man hatte ihrer Freundin nicht einen einzigen Besuch gewährt, wie um sie noch mehr zu strafen. Jetzt war Sophie ihre letzte Hoffnung, wie sie die fünfzehn Gulden Strafgeld würde aufbringen können. Sie besaß nämlich keinen Pfennig mehr; das wenige, was sie als Waschfrau verdient hatte, hatte sie Sophie als Kostgeld übergeben.
    Nach einer Woche Arbeit in der Strickstube verkündete ihrdie Aufseherin endlich, sie habe frei bis zur Stillzeit ihres Kindes. Theres ließ das Abendessen ausfallen, schlich sich durch eine Seitenpforte hinaus und eilte im Laufschritt durch die verschneiten Gassen. Hoffentlich war Sophie zu Hause und nicht in diesem Caféhaus. Sie hatte Glück. Ihre Freundin war eben im Aufbruch, in einem dunklen Wintermantel mit Pelzkragen, den Theres nie zuvor an ihr gesehen hatte.
    «Theres!» Sophie warf sich ihr in die Arme. Sie hatte Tränen in den Augen. «Ich hab alles versucht, dich zu besuchen, aber diese Hundsfötter haben mich einfach nicht reingelassen.»
    Sie drückte Theres auf das Bett und setzte sich neben sie.
    «Stell dir nur mal vor: Mein Friedemann wird mich heiraten! Er will mich nicht mehr mit andern Mannsbildern teilen, sagt er. Aber jetzt erzähl: Wie geht es deinem Kind?

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