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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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getan.»
    «Ach, Theres – das genaue Gegenteil ist richtig. Gott hat dich zu uns geführt, um uns etwas zu lehren. Als ein Geschenk. Weißt du, dass die Menschen dich die Prophetin von Weissenau nennen?»
    «Das ist es ja eben.» Ihre Stimme wurde brüchig. «Ich kann das alles gar nicht verstehen. Was kann ich all diesen Leuten schon geben? Noch ärmlicher als sie bin ich, hab wahrscheinlich noch mehr gesündigt als die meisten von ihnen und bin darüber fast krank im Geist geworden. Und wer weiß, wann mich der nächste Rückfall heimsucht und ich die nächste Sünde begehen werde? Wann das nächste Unheil über mich hereinbrechen wird? Mein bisheriges Leben war so trüb, so unvollkommen. Was also sollte an mir sein, dass jetzt alle zu mir aufschauen?»
    «Sie sehen in dir ein Beispiel für die Macht des Glaubens, das ist es, Theres.»
    Sie schluckte. Da war noch etwas. Etwas, das schon so lange in ihr nagte und das sie gegenüber Seibold, bei ihrer ausführlichen Beichte gestern früh in Einsiedeln, unerwähnt gelassen hatte.
    «Es war nicht so, wie alle glauben.»
    Seibold betrachtete sie gespannt. «Du meinst, die Erscheinung Mariens?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Nein. Sie war da. Ob nun im Traum oder leibhaftig, das weiß ich nicht. Und sie hat mir auch den Auftrag gegeben, nach Eglingen zu gehen. Nur   …» Sie stockte.
    Aufmunternd nickte der Pfarrer ihr zu. «Sag es mir ruhig.»
    «Ich selbst habe diese Dinge vergraben. Vor vielen Jahren, als ich Gott verflucht hatte. Ich hatte das alles nur aus meinem Gedächtnis verloren.»
    Wieder nickte Seibold. «Belass es dabei, Theres. Das Wunderbare wird deshalb nicht geringer. Nur würden es die Menschen nicht verstehen. – Also, was ist? Wirst du bei uns bleiben?»
    «Ja.» Ein Gefühl der Wärme durchflutete sie. «Sehr gern.»
     
    Als Theres und Seibold mit ihrer Pilgerschar zurückkehrten nach Weissenau, kam ihnen mitten in dem begeisterten Empfang durch die Daheimgebliebenen eine vollkommen aufgelöste Käthe entgegen und fasste sie beide an den Händen.
    «Kommen Sie rasch mit, Herr Pfarrer. Du auch, Theres.»
    Beinah gewaltsam bahnte sich die alte Haushälterin ihren Weg durch die enttäuschte Menschenmenge, die nun vergeblich auf einen ersten Bericht von der Wallfahrt gewartet hatte. Als sie die Pfarrstube betraten, verriegelte Käthe die Tür hinter sich.
    «Ein Gerichtsdiener vom Oberamtsgericht Waldsee war hier.» Sie reichte dem Pfarrer zwei zusammengerollte Papiere. Ihre Hand zitterte. «Ein Haftbefehl gegen Theres. Wegen eines beträchtlichen Diebstahls, hat der Gerichtsdiener gesagt. Das andre Schreiben ist aus Rottenburg, vom Bischof.»
    Theres ließ sich auf die Bank sinken. Vor ihren Augen begann alles zu verschwimmen.
    Seibold brach die Siegel. Er wirkte gefasst, als er sagte: «Es geht noch immer um dieses Taschentuch in Aulendorf.»
    Dann entrollte er das andere Blatt. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen.
    «Bischof Lipp droht mir mit Enthebung von meinem Amt als Pfarrer, sollte ich Theres nicht sofort aus dem Pfarrhaus fortschickenoder sie weiterhin in meinen Predigten erwähnen.» Er sah auf. «Weiß jemand von diesen Schreiben außer dir?»
    «Nein.» Käthe schüttelte den Kopf. In ihren Augen standen Wut und Verzweiflung.
    «Dann soll das auch so bleiben. Noch heute Abend werde ich dem Bischof schreiben. Dass ich mich genötigt sehe, meinen Ungehorsam gegen das Ordinariat schriftlich zu erklären, selbst wenn das meine Entlassung bedeutet.» Dann tat er etwas Überraschendes: Er setzte sich zu Theres auf die Bank und legte den Arm auf ihre Schultern. Sie spürte, wie die Wärme seines Körpers auf sie überging.
    «Hab keine Angst, Theres. Ich werde nicht zulassen, dass man dich ins Gefängnis steckt.»
     
    Die folgenden zehn Tage geschah zunächst gar nichts. Theres ging Käthe bei der Haus- und Küchenarbeit zur Hand, versorgte Seibolds Hühner, brachte die Wäsche hinüber ins Waschhaus draußen vor dem Tor und kümmerte sich um Feuerholz und frisches Wasser vom Brunnen. Hierüber vor allem war Käthe sehr dankbar, da sie in ihrem hohen Alter von Gicht und Rheuma geplagt war und keine schweren Eimer und Körbe voller Wäsche mehr schleppen konnte.
    Verschwunden war mit einem Mal Theres’ Teilnahmslosigkeit, ihre stumpfe Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, verschwunden auch ihre Angst und innere Unruhe. Nachts schlief sie tief und traumlos in einer eigenen Kammer unterm Dach, und sie empfand wieder Freude an den

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