Die Bettelprophetin
ertrunken.»
«Es heißt», kicherte die Magd, «dass die arme Seel heut noch hier herumspukt. Bleibt also schön beisammen.»
Eine eiskalte Hand berührte Theres am Arm. «Darf ich bei euch bleiben?», fragte Pauline ängstlich.
Theres sah ihre Freundin fragend an.
«Meinetwegen», knurrte Sophie. «Aber fall uns nicht auf die Nerven.»
Sie zogen sich Schuhe und Strümpfe aus und stapften in das erfrischende Nass – die Mädchen vorsichtig, Schritt für Schritt, während die Buben in übermütigen Sprüngen hineinrannten, sodass es gehörig spritzte.
«Guck mal!» Sophie stieß ihre Freundin in die Seite. Etwas abseits des Ufers, auf einer geblümten Decke, lag ausgestreckt auf dem Rücken ihre Lehrfrau, die Hände vor dem Bauch gefaltet. Ihre Augen waren geschlossen.
«Sieht aus wie ein Toter im Sarg», sagte Theres.
«Das mein ich nicht. Da drüben, hinter dem Holzstoß.»
Jetzt hatte auch Theres die Umrisse der beiden Köpfe hinter dem Holz entdeckt. Es sah aus, als ob sie sich etwas zuflüsterten.
«Die küssen sich», flüsterte Sophie.
«Wer?»
«Mei, bist du dumm.»
Im nächsten Augenblick lösten sich die Köpfe voneinander, und man sah zwei Gestalten im Dunkel des Waldes verschwinden.
Sophie griff nach ihrer Hand. «Los, komm.»
Barfuß, die kleine Pauline im Schlepptau, rannten sie in den Wald hinein. Schmerzhaft piksten die Fichtennadeln und Steinchen gegen ihre nackten Fußsohlen, doch Sophie zerrte sie erbarmungslos vorwärts. Plötzlich blieb sie so abrupt stehen, dass sie beinahe alle drei gestürzt wären. Ganz in der Nähe, hinterdichtem Strauchwerk, war leises Keuchen zu hören, dann die hohe Stimme der Magd: «Ach, Wendelin, mein Guter – doch net hier! Was, wenn wer kommt?»
So leise als möglich schoben sich die Mädchen durch das Gesträuch – und was sie dann, zwischen Zweigen und Blättern hindurch, auf der kleinen Waldwiese zu sehen bekamen, ließ Theres den Atem stocken: Inmitten eines Haufens verstreuter Kleidungsstücke hockte die Magd, ihre Wangen glühten, das schwarze, offene Haar war zerzaust, das Mieder aufgeschnürt, sodass zwei blanke, pralle Brüste sich schamlos den Blicken preisgaben. Vor Auguste kniete in Hemdsärmeln ihr Lehrer, mit rechts und links herabhängenden Hosenträgern, und nestelte an seinem Hosenbund herum.
«Jessesmarie – der Marder!», entfuhr es Pauline.
Die Magd schnellte mit spitzem Schrei in die Höhe, schlug die Arme vor die bloßen Brüste und stürzte davon, während Löblich nur blöde in ihre Richtung glotzte.
«Du Schafseggl!», zischte Sophie, dann liefen sie los.
Völlig außer Atem erreichten sie den Weiher und mischten sich unter die andern Kinder, die noch immer am Ufer herumplantschten. Die Wagnerin schnarchte laut vor sich hin.
«Was, wenn er uns erkannt hat?», fragte Theres mit wütendem Seitenblick auf Pauline.
Sophie kaute an ihren Fingernägeln. «Dann – dann drohen wir ihm, seine Sauereien dem dicken Fritz zu verraten. Genau! Soll er nur kommen!»
«Das war Sünde», flüsterte Pauline. Ihr Gesicht war noch immer wachsbleich vor Schreck. «Ganz ekelhafte Sünde!»
Verächtlich sah Sophie sie an. «Halt doch die Gosch. Davon verstehst du rein gar nix!»
In diesem Moment erschien Auguste am Ufer und tat so,als suche sie Kräuter. Etwas später dann, aus anderer Richtung, tauchte auch Lehrer Löblich auf, mit grimmigem Gesicht.
«Raus aus dem Wasser und fertig machen!» Er fuchtelte mit seinem Wanderstock in der Luft, als wolle er einen unsichtbaren Feind in die Flucht schlagen. «Wir brechen auf.»
«Jetzt schon?» Verschlafen hob die Wagnerin den Kopf. Ihr Dutt hatte sich gelöst, das Haar hing ihr in grauen Strähnen ins Gesicht.
Wie lächerlich, dachte Theres. Wie närrisch und lächerlich ihre sonst so gestrengen Aufseher mit einem Mal wirkten! Der Marder mit seinem wütenden Gefuchtel, ein Hemdzipfel hing ihm noch vorne aus der Hose; die Lehrfrau auf der Blümlesdecke mit ihren vom Schlaf zerknautschten Wangen; die mannstolle Magd Auguste, die jetzt ein Kinderlied zu summen begann und dabei kleine Blümchen abriss und ihren prallen Hintern in die Luft streckte.
«Was gibt’s da zu glotzen?», fauchte Löblich Theres an.
Sie wandte den Blick ab und streifte Strümpfe und Schuhe über.
Eine Viertelstunde später strömten die Kinder in die Gartenwirtschaft von Hof Fuchsenloch und verteilten sich unter Lachen und Lärmen an drei langen Holztischen. Außer ihnen saßen nur noch ein paar Waldarbeiter
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