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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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beim Bier.
    Löblich rief sie zur Ruhe. «Rosina, Jodok, Bartlome – ihr übernehmt das Kommando bei Tisch. Es gibt Eintopf mit Roter Wurst, Zitronenwasser für die Kleinen, Dünnbier für die Großen. Beim Essen will ich kein Wort hören, hernach könnt ihr auf die Wiese da drüben.» Er knallte den Stock gegen die Tischplatte. «Hinhocken und beten!»
    Von ihrem Platz aus sah Theres genau in Richtung des runden Tisches, an den sich die Magd und die Lehrkräfte gesetzt hatten. Stocksteif thronte Löblich auf seinem Gartenstühlchen,und als jetzt Auguste unter der Tischplatte mit ihrem Fuß sein Bein berührte, zog er es weg, als habe er sich verbrannt. Nachdem das Serviermädchen drei große Bierkrüge angeschleppt hatte, trank Löblich den seinen aus, ohne abzusetzen. «Noch einen», hörte Theres ihn sagen. Kurz drauf schwebte der Duft von Braten und heißen Erdäpfeln an ihren Tisch herüber.
    Ihr Eintopf schmeckte fad, das Zitronenwasser nach Waschlauge, und für jedes der Kinder schwamm gerade mal eine einzige Wurst im Teller.
    Nach dem Dankgebet durften sie wie versprochen auf die Wiese am Waldrand. Theres’ Blick hielt Ausschau nach Urle, bis sie ihn abseits der andern auf einem Baumstumpf entdeckte. Die Schramme auf seiner Stirn war blau und grün angelaufen.
    «Tut es weh?», fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf.
    «Der Marder hat dich mit Absicht geschlagen, gell?»
    Urle verzog das Gesicht. «Die Gelegenheit konnt er sich nicht entgehen lassen. Dafür habt ihr ihn ganz schön erschreckt, vorher im Wald.»
    Erstaunt riss Theres die Augen auf. «Du warst auch dort?»
    «Ja. Und ich weiß auch, dass die Auguste nicht die einzige ist, mit der er rumtändelt. An die Rosina hat er sich auch schon rangemacht.»
    «Nein!»
    «Doch. Was meinst, woher die sonst neuerdings ihre guten Zensuren hat?»
    «Und wenn – wenn wir das dem dicken Fritz melden?»
    Urle lachte laut auf. «Wem wird der wohl glauben? Seinem lieben Collegen oder uns Vagantenkindern? Wir sind doch nur Dreck, lästiges Ungeziefer im Leben der honorigen Bürgersleut. Nur deshalb sperrt man uns doch weg!»
    Sie schwiegen beide. Nach einer langen Weile fragte Theres: «Was willst du später mal machen, wenn du hier draußen bist?»
    «Ich werd Kolonist in Amerika.»
    «Kolonist?»
    «Ja, halt auswandern. Mit einem großen Schiff übers Meer. Ich hätt mich schon längst auf den Weg gemacht, wenn das Meer nicht dermaßen weit weg wär.» Sein Blick glühte. «Es heißt, dass drüben in Amerika jeder mit offenen Armen aufgenommen wird, egal, ob arm oder reich, welche Hautfarbe er hat und wo er herkommt. Da wird einer wie ich auch unterkommen. Jetzt wart ich halt, bis ich erwachsen bin und ein Geld gespart hab.»
    «Ha!», donnerte eine Stimme. «Einer wie du wird erst gar nicht erwachsen! Der krepiert schon vorher.»
    Hinter ihnen stand der Marder. Er schwankte von einem Bein aufs andere.
    «Was reden Sie da?» Theres starrte den Lehrer entsetzt an. Der beachtete sie nicht. Seine rotgeränderten Augen waren auf Urle geheftet.
    «Weißt eigentlich, wie dumm du bist, Ulrich von und zu Pistoletti? Für alberne Hanswurst-Possen auf dem Jahrmarkt mag die Beschaffenheit deines Hirns vielleicht ausreichen, aber sonst verstehst du rein gar nix von der Welt!» Löblich wischte sich den Schweiß von der Stirn. «Als Kolonist nach Amerika – dass ich nicht lach! Hat dir noch keiner gesagt, dass Zwerge wie du jung sterben? Das hat die Wissenschaft eindeutig bewiesen. Die Natur trifft da schon ihre Auswahl. Frag nur unseren Herrn Amtsmedicus.»
    Wortlos erhob sich Urle und stolperte auf seinen kurzen Beinen in Richtung Waldrand davon.
    «Halt, warte!» Theres rannte ihm hinterher.
    «Das ist doch Unsinn, glaub es nicht!» Sie packte ihn beim Arm. «So was sagt er nur, weil du klüger bis als er selber!»
    Urle schüttelte ihren Arm ab.
    «Was weißt du schon? Der Amtsarzt hat mir dasselbe auch schon gesagt.»
     
    Für den Heimweg nahmen sie den kürzesten Weg zwischen den Feldern hindurch. Von ordentlicher Formation in Reih und Glied war keine Rede mehr: Löblich torkelte vorweg, eine albern kichernde Auguste auf den Fersen, ihnen folgten in dichtem Pulk die Kinder. Die Nachhut bildete Lehrfrau Wagner, die ihr Sonnenschirmchen jetzt als Stütze benötigte und zum Glück keinerlei Lust mehr verspürte, irgendwelche Vorträge zu halten. Ausgerechnet neben ihr stapfte stumm und mit verschlossenem Gesicht Urle. Theres wagte nicht, ihn anzusprechen.
    Zu ihrer

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