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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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gewöhnlichen Lobspruch. – Ad 2: Erwartet stille und ruhig den Anfang des Unterrichts. – Ad 3: Beim Gebete stehet auf, faltet die Hände und betet andächtig nach, was vorgebetet wird. – Ad 4: Höret auf den Lehrer und tuet alles, was euch befohlen wird, willig und gerne, denn Gehorsam ist eine edle Pflicht. – Nein, das ist zu schwach. Besser: Denn Gehorsam ist die Hauptpflicht des Schülers. Genau! So, und jetzt noch das Verhalten in der Kirche. Ja, wo ist denn jetzt bloß mein Entwurf?»
    Theres räusperte sich vernehmlich.
    «Ach du liebe Güte, Mädchen. Hab dein Klopfen wohl ganz überhört. Ja, ja, komm nur herein und mach sauber. Wart, ich leg die Papiere zusammen, dann kannst gleich hier über den Tisch wischen. Weißt du, das ist die neue Schulordnung, die ich mit einigen Amtskollegen gerade entwerfe.»
    Ganz kurz blitzte so etwas wie freudiger Stolz in seinen Augen auf.
    «Übrigens: Gut, dass du da bist. Gestern beim Stammtisch hat mich mein alter Freund Wohlgschafft angesprochen. Er braucht für einen Tag eine zusätzliche Magd in der Küche, wegen der Hochzeitsvorbereitung seiner Balbina, und hat dabeian dich gedacht. Da wollen wir doch nicht nein sagen, oder? Wo er dich doch mitgenommen hat.»
    Erschrocken starrte Theres den Pfarrer an.
    «Was schaust du so? Ich werd schon auch mal ohne dich auskommen. Und ein paar Kreuzer für deinen Sparhafen springen sicher dabei heraus. Also, was ist?»
    Sie nickte stumm. Erst nachdem sie mit dem Reinemachen fertig war und wieder im Flur stand, stellte sie fest, dass sie gar nicht nach Tinte und Papier gefragt hatte.
     
    Das Anwesen von August Wohlgschafft lag auf halbem Weg nach Biberach, eine knappe Wegstunde westlich von Ringschnait. Die Tage waren jetzt, Anfang Oktober, schon spürbar kürzer, und um rechtzeitig zum Arbeitsbeginn dort zu sein, musste Theres im Stockdunkeln aufbrechen. Es war hundekalt nach einer sternenklaren Nacht. Nicht mal die Zeit für ein richtiges Morgenessen hatte der Pfarrer ihr vergönnt. Er hatte sie so nachdrücklich zur Eile angetrieben, als hinge von ihrer Mithilfe das Gelingen der ganzen Hochzeitsfeier ab.
    So tappte sie denn, mit eisigen Händen und Füßen, bergan. Im Talgrund der Dürnach schimmerten Nebelschwaden im ersten schwachen Licht der Morgendämmerung, einzelne Bäume streckten ihre Äste aus dem milchigen Weiß wie Ertrinkende ihre Arme aus dem Wasser. Theres war heilfroh, als sie auf der Höhe angelangt war, wo bereits einige Menschen unterwegs waren und es von Osten her langsam hell wurde. Dabei verfärbte sich der Himmel in den herrlichsten Pastelltönen, so leuchtend und zart zugleich, wie kein Maler sie je würde hervorzaubern können.
    An dem von Konzet beschriebenen Bildstock gabelten sich die Wege. Sie nahm den schmaleren, der in südliche Richtung führte – nicht ohne einen ängstlichen Blick auf das Marienbildniszu werfen, das eben jetzt unter den Strahlen der Morgensonne erglühte. Die Muttergottes mit dem nackten Jesuskind im Arm schien ihr geradewegs in die Augen zu sehen, traurig und enttäuscht zugleich.
    Keine halbe Stunde später erreichte sie eine flache Senke, offen und ohne Waldbestand, an deren Rande das Gehöft lag. Es war noch viel größer und stattlicher, als sie es sich vorgestellt hatte, und unwillkürlich zog sie die Schultern ein. An das Wohn- und Wirtschaftsgebäude schlossen sich Scheuer, Speicher und ein langgestreckter Stall, neben kleineren Schuppen gab es noch einen offenen Schopf für Wagen und Gerätschaften, ein Holzlager, einen Brunnen und sogar eine eigene, wenn auch winzige Kapelle. Der riesige, dampfende Misthaufen daneben war der größte, den Theres je gesehen hatte.
    Fast widerwillig ging sie weiter. Seitdem die Sonne sich gezeigt hatte, hatte sie ihren Fußmarsch durch Wiesen und Felder genossen wie schon lange nichts mehr. Und jetzt sollte sie diesen herrlichen Tag in einer stickigen Küche verbringen, mit lauter fremden Menschen.
    Vor dem Haupthaus wurde gerade ein Fuhrwerk abgeladen, umringt von einer wütend schnatternden Gänseschar. Sie stellte sich einer der Mägde, die geschäftig kreuz und quer über den Hof eilten, in den Weg.
    «Ich bin Theres, aus dem Pfarrhaus zu Ringschnait, und soll hier aushelfen.»
    «Da musst in die Küche, zur Lene. Die hat das Kommando.»
    Sie folgte einem Mann mit einem Korb auf dem Rücken in den Hausflur, in dem man leicht vier Ochsen hätte unterbringen können, so geräumig war er. Die Tür linker Hand, mit hübschen

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