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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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freundlich, er lächelte dabei sogar. Seit längerem schon hatte sie das Gefühl, dass er sie beobachtete. Und irgendwann musste sie an Sophies Worte denken:
Gibt’s gar einen Kerl im Dorf, der dir gefällt?
    Im neuen Jahr dann – der Winter hatte das Land mit Eis und klirrender Kälte im Griff – sprach er sie doch tatsächlich an. Es war nach dem Kirchgang, und da die Sonne von einem wolkenlosen Himmel schien, wollte Theres noch ein wenig hinaus auf die Felder, bevor die Welt wieder im Dunkel verschwand. Sie hatte gerade den Dorfrand erreicht, als er direkt auf sie zukam.
    «Du bist die Theres, gell?»
    «Ja.»
    «Ich bin der Elie. Eigentlich Elias. Ich hab gesehen, dass du sonntags manchmal spazieren gehst. Darf ich mit?» Seine blauen Augen strahlten sie an.
    Fast erschrocken schüttelte sie den Kopf und begann zu lügen: «Ich muss gleich ins Pfarrhaus zurück. Vielleicht ein andermal.»
    «Schade. Dann nächsten Sonntag?»
    «Vielleicht.»
    Die nächsten Tage ertappte sie sich immer wieder dabei, wie ihr das Bild des Jungen in den Sinn kam und ihr ganz seltsam zumute wurde. Je näher der Sonntag rückte, desto unruhiger wurde sie. Seine offene Art hatte ihr gefallen. Und was war schon dabei, ein paar Schritte mit ihm spazieren zu gehen? Andererseits kannte sie ihn kaum, sie wusste nur, dass er mit seiner Mutter und vier jüngeren Geschwistern in der Mahlmühle wohnte. Außerdem sah man ihn nie beim Gottesdienst. Irgendetwas stimmte da nicht.
    Am Samstagabend dann, als sie mit Pfarrer Konzet bei der Mahlzeit saß, fasste sie sich ein Herz.
    «Warum kommt der Elias nie in die Kirche?»
    «Elias?» Erstaunt sah er vom Teller auf. «Was hast du denn mit dem zu schaffen?»
    «Gar nichts. Ich mein ja nur. Weil man ihn nie im Gottesdienst sieht. Und auch nicht bei Ihnen in der Christenlehr.»
    Konzet schnaubte. «Weil er ein Falschgläubiger ist.»
    «Ein Falschgläubiger?»
    «Fast kann er einem leidtun, er und seine Geschwister. Die Mutter ist Witwe und stammt aus einer braven katholischen Familie hier im Dorf. Der Müller, dem sie den Haushalt macht, ist ihr Bruder. Sie war an diesen lutherischen Krämer geraten und zum falschen Glauben konvertiert. Als der verstorben war, hatte ich sie ins Gebet genommen, doch wieder in den Schoß unserer Heiligen Kirche zurückzukehren. Aber es war nichts zu machen. Jetzt muss sie halt immer bis Biberach, wenn sie in die Kirche will. Selber schuld.» Er seufzte tief. «Selber schuldauch, dass ihre Kinder keine Freunde finden im Dorf, so als einzige Evangelische. Dabei war der Elias gar nicht schlecht in der Schule gewesen.»
    Theres dachte an Anstaltsleiter Rieke und dass auch der ein Falschgläubiger war, wie die meisten, die es aus Neckarschwaben hierher ins Oberland verschlug.
    «Aber – glauben die nicht an denselben Herrgott? So wie der Oberinspektor Rieke?», fragte sie vorsichtig.
    «Ach, Kind, das verstehst du nicht. Aber zu deiner Beruhigung: Ich schätze den Herrn Rieke sehr, und ich habe auch nichts gegen die Evangelischen. Nur passt eine Katze schließlich auch nicht in eine Hundemeute. Sollen die Evangelischen doch drunten am Neckar bleiben – wir hier im Oberland sind und bleiben altgläubig. Und nun hol mir bitte noch ein Krüglein Wein.»
     
    Ein wenig auch aus Trotz gegenüber ihrem Dienstherrn ließ sich Theres am nächsten Tag von Elias zum Sonntagsspaziergang überreden. Sie durchquerten das Dorf auf kürzestem Weg und schlenderten ein Stück weit durch die Felder, die unter ihrer weißen Schneedecke in der Sonne glitzerten.
    «Ist doch ein Glück, dass unser Gottesdienst in Biberach viel früher aus ist als eurer. Da komm ich grad rechtzeitig heim, wenn du mit Mittagessen fertig bist.»
    «Noch einfacher wär’s, du würdest bei uns in die Kirch gehen.»
    Er zuckte die Schultern. «Ich würd eh lieber in Biberach wohnen oder in Ravensburg. Da leben Katholische und Evangelische alle beieinand. Das ist doch blöd, so wie hier. Ein Aussätziger bist, wenn du nicht denselben Glauben wie die andern hast.»
    Theres nickte. «Bei uns auf der Alb ist’s das Gleiche. In meinemDorf sind alle katholisch, außer zwei Familien. Und im nächsten Dorf sind alle evangelisch. Da würd nie einer von uns hingehen.»
    Elie blieb stehen. «Aber mit einem wie mir gehst du spazieren?» Er tat gekränkt.
    «So hab ich das nicht gemeint. Ganz ehrlich nicht.» Fast hätte sie ihm gesagt, dass sie ohnehin nicht mehr so genau wusste, was sie noch glauben sollte.
    Er lächelte.

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