Die Bettgeschichte (T-FLAC) (German Edition)
von Orten, an denen sie gewesen war. All das Zeug, das sich unbemerkt ansammelte.
Jake Dolans Hütte war die Behausung eines Mannes ohne Vergangenheit. Trotz des Drecks wirkte alles charakterlos und steril wie eine sanitäre Einrichtung. Das Ganze sah wie ein Bühnenbild aus: Verlassene Hütte im Wald . Das Stück, das sie hier spielten, ist keine Liebesgeschichte, dachte sie niedergeschlagen und betrachtete das schmale Bett am anderen Ende des Raumes.
Sie hatte in der Zwischenzeit ein paar knifflige, detailversessene Skizzen von Jake gemacht. Die meisten entstammten eher dem Wunschdenken als der Realität. Sie hatte sich ziemlich anstrengen müssen, einen lachenden Jake zu Papier zu bringen, der liebevoll aus dem Skizzenblock herauslinste und ihr keine finsteren Blicke zuwarf. Aber sie hatte schließlich eine Menge Fantasie.
Einen gefährlichen, faszinierenden Fremden hatte sie nicht auf der Rechnung gehabt, und das Timing gab ihr Rätsel auf. Sie stellte sich Großmutter vor, wie sie auf einer flockigen, weißen Wolke saß und kichernd das Leben ihrer Enkelin durcheinander brachte.
Dass sie so atypisch, irrational und hitzig auf Jake reagiert hatte, war ihr egal. Allein dass sie etwas gefühlt hatte, zählte. Etwas, das sie nie zuvor gespürt hatte. Etwas, das mehr als nur körperlich war. Etwas, das einen Teil von ihr rührte, den sie selbst erst erkunden musste. Ihr war, als müsse sie sich mit seinen Augen sehen, um die wirkliche Marnie Wright kennen zu lernen.
Dieser verfluchte Mann hätte doch wenigstens Ruhe geben und kooperieren können!
Schon vor einer Stunde hatte es zu regnen aufgehört. Jake war seit drei Stunden weg. Man musste ihr doch nicht erst eine Bratpfanne auf den Kopf schlagen, damit sie kapierte, dass er sie nicht hier haben wollte. Dass ihre Gefühle völlig irrational waren, machte auch keinen Unterschied. Sie kannte ihn gerade einmal vierundzwanzig Stunden. Unfassbar, dass sie so viel für ihn empfand und er nichts für sie. Dass er schon so lange fort war, hieß doch wohl, dass er abwarten wollte, bis sie weg war.
War er irgendwo da draußen, beobachtete die Hütte und wartete, bis sie ging? Sie stand mitten in seiner ungastlichen Behausung und wog ihre Möglichkeiten ab. Ihr dummes Herz wollte bleiben und herausfinden, was die nächste Runde brachte. Irgendwann musste er ja zurückkommen.
Die Vernunft riet ihr zu packen, ihre Jacke anzuziehen, flussaufwärts zu marschieren und zu hoffen, dass die Brücke intakt war.
Duchess! Marnie lachte. Falls Jake nicht vorhatte, die Dogge zu entführen, musste er zurückkommen. Sie würden einander auf jeden Fall noch einmal sehen müssen.
Die Daunenjacke war mittlerweile trocken. Sie machte sich fertig, holte eine Mütze aus dem Rucksack und hinterließ ihm eine unübersehbare Nachricht auf der Küchentheke.
Der eisige Wind zerrte an ihren Haaren und ließ ihre Wangen brennen. Sie wühlte in der Jackentasche und zog sich die rote Strickmütze über die Ohren. Die Bäume wiegten sich im Wind, und ihr Rauschen vermischte sich mit dem Geräusch von Wanderstiefeln auf nassem Laub. Keine Spur von Duchess und Jake.
Sie erreichte Großmutters Blockhaus 一 oder das, was davon übrig war - recht schnell. Die Trauer saß ihr wie eine harter Klumpen in der Brust. Sie ließ sich auf einem bemoosten Felsbrocken nieder, stützte das Kinn in die Hände und besah sich das Schlachtfeld.
Bei Tageslicht sah die Ponderosapinie nicht annähernd so groß aus, wie sie ihr die Nacht zuvor erschienen war. Nichtsdestotrotz hatte sie das Blockhaus völlig zerschmettert. Der Anblick verschwamm langsam, und Marnie biss sich auf die Unterlippe.
Großmutter war im Alter von achtundachtzig Jahren im Schlaf gestorben. Ihr Tod hatte Marnie dazu gebracht, ihr ganzes Leben in Frage zu stellen.
Großmutters Tod war der Wendepunkt gewesen.
Die alte Frau hatte sich vor nichts gefürchtet und immer alles gewagt. Marnie hatte immer geglaubt, sie seien verwandte Seelen, doch nach Großmamas Tod war sie aus ihren Illusionen erwacht und hatte erkannt, dass dem nicht so war.
Sie ergriff nie eine Gelegenheit beim Schopf. Sie hatte noch nie etwas riskiert. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass ihr Leben ständig im gleichen Trott verlief. Sie hatte immer den Weg des geringsten Widerstands beschritten. Der war sicher und bequem.
Vater wollte sie bei sich haben und sie ihn nicht verletzen, also arbeitete sie für ihn. zeichnen und Malen war zwar ihr ganzer Lebensinhalt, aber nicht
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