Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)
Springen wir mal kurz rauf. Könnte sein, dass er ein bisschen komisch ist, wissen Sie? Er hat es nicht gerne, wenn Leute ihn so im Bett sehen …
– Keine Sorge, sage ich gelassen, doch dabei schlägt mein Herz schon höher vor lauter Vorfreude. – Ich rege ihn nur ungern auf, deswegen stecke ich nur mal schnell den Kopf zur Tür rein.
Kibbys Zimmer oben stinkt dermaßen nach Krankheit und Verfall, wie ich es noch nie erlebt habe. Der Geruch ist ebenso künstlich wie animalisch, eine Mischung aus muffigen Chemikalien und verwesendem Fleisch. Ich höre Kibby im Halbdunkel stöhnen, als seine Mutter gurrt: – Mr Skinner ist da …
Mir wird so übel vor Unbehagen und Aufregung, dass ich gezwungen bin, mich mit aggressiven Gedanken auf Vordermann zu bringen, und denke, wie kann die faule Schwuchtel da einfach in der Pofe liegen, während echte Kerle draußen ihren Mann stehen.
– Ich kann nich reden … hau ab, bitte, sagt er mit einem Laut zwischen Grunzen und Stöhnen, während ich schadenfroh die Star-Trek-Poster und den Star-Trek-Lampenschirm betrachte. Ein Laptop steht auf dem Bett neben ihm. Da hat sich die Drecksau doch bestimmt gerade Pornoseiten angeguckt!
– Junge, sprich doch nicht so mit Mr Skinner, er ist extra hergekommen, um nach dir zu sehn!, stammelt seine Mutter und guckt mich entschuldigend an.
Wenn er n Hund wär, müssten wir die Fotze wohl erschießen!
– Hau ab …, keucht Kibby.
Joyce Kibby beginnt vor Aufregung zu blubbern und zu zittern, und ich muss ihre beiden flatternden Hände nehmen und die arme Frau aus dem Schlafzimmer führen. Aber als wir in der Tür sind, drehe ich mich noch mal um und flüstere in gepresster Eindringlichkeit. – Ist schon in Ordnung, Kumpel. Aber wenn es irgendwas gibt, was ich tun kann, egal was …
Aus dem Bett hört man wieder ein leises Knurren. Jetzt fällt mir wieder ein, wo ich dieses Geräusch schon mal gehört habe. Als Kind hatte ich eine Katze, Macy. Macy wurde von einem Auto angefahren und war mit gebrochenen Hinterbeinen unter einen Strauch im Park auf der anderen Straßenseite gekrochen. Als ich versuchte, das arme, kleine Biest rauszuholen, ist die echt wild geworden; es war nicht das Fauchen einer Katze, sondern eher das dunkle Knurren eines Hunds und hatte mir eine Scheißangst eingejagt.
Ich geleite die erschütterte Joyce Kibby wieder nach unten in die Küche und drücke sie auf einen Stuhl, doch sie springt gleich wieder auf und besteht darauf, frischen Tee zu machen.
– Ich versteh das nicht, Mr Skinner. Er war immer so ein netter Junge. Und jetzt hat er sogar den jungen Ian, der immer sein bester Freund war, irgendwie vergrault. Ich bin dem Jungen neulich beim Einkaufen begegnet, und er ist nicht mal stehen geblieben und hat Hallo gesagt!
– Vielleicht liegt das in der Natur der Erkrankung, meine ich verständnisvoll, – eine Art von Wesensänderung, eine psychische Degeneration, die mit dem physischen Verfall einhergeht. Auf der Arbeit ist auch schon aufgefallen, dass er viel empfindlicher geworden ist als früher.
– Wesensänderung, sagt Joyce Kibby sinnend und stellt mir eine Tasse Tee hin. – Das beschreibt es ganz gut, Mr Skinner.
– Immer noch nichts Neues von den Ärzten?
– Dieser Dr Graigmyre weiß gar nichts, stößt Joyce Kibby verbittert hervor. – Ich meine, er ist ja nur Allgemeinmediziner, aber wir haben auch jeden Spezialisten aufgesucht, den es überhaupt gibt …, erklärt sie, doch in dieser warmen Küche schweifen meine Gedanken ab, bis sie sich wieder meine volle Aufmerksamkeit sichert, indem sie eine Bombe platzen lässt. – Sie alle sind so verständnisvoll gewesen, doch jetzt ist es vorbei. Er kann nicht mehr. Wir müssen zur Personalabteilung gehen und ihn aus gesundheitlichen Gründen in Frührente schicken lassen.
Mir ist sofort ganz schwach und flau. Es ist viel zu viel Milch im Tee. – Aber … er ist doch noch ein junger Kerl … er kann doch nicht in Rente … das geht doch nicht …
Joyce Kibby lächelt und schüttelt traurig den Kopf. Sie sieht mir direkt ins Gesicht, und ich sehe, dass sie glaubt, es machte mir wirklich etwas aus. Als wäre ich auch so aus der Fassung wie sie alle … und die Sache ist … das bin ich verdammt noch mal auch.
– Das ist die einzige Lösung, fürchte ich, erwidert sie ernst.
– Aber wie kommen Sie dann zurecht?, frage ich und höre meine eigene Stimme schon im Voraus ganz dünn und entrückt werden. Ich versuche mich zu etwas mehr
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