Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)
Kaltblütigkeit zu zwingen: – Sie erwähnten doch, dass Ihre Tochter studiert … Sie klangen am Telefon so besorgt.
– Tut mir Leid, da war ich wohl etwas hysterisch, entschuldigt sich Joyce mit kläglichem Lächeln.
– Aber gar nicht!, erwidere ich, laut und kläglich.
Aber die Frau redet weiter, vollkommen unempfänglich für meinen Schmerz, in dem morbiden Hochgefühl eines Menschen, der gerade eine schlimme, aber unumgängliche Entscheidung getroffen hat. – Neulich abends haben wir uns alle zusammengesetzt und das vernünftig besprochen. Ich weiß, Caroline studiert, aber sie hat eine Arbeit als Kellnerin für abends gefunden, da kann sie nächste Woche mit ein paar anderen Studentinnen zusammenziehen. Wir haben ein bisschen was zur Seite gelegt, um ihre Studiengebühren zu bezahlen. Ich werde mich um Brian kümmern. Ich gehe diese Woche zum Sozialamt und mir die entsprechenden Broschüren holen, um mich über Pflegezuschüsse und – beihilfen zu informieren.
Ich öffne den Mund und will etwas sagen, bleibe aber stumm: Mir fällt einfach nichts ein, was ich sagen könnte.
– Um ehrlich zu sein, bin ich ganz froh, dass sie auszieht. Hier ist nicht der richtige Ort für ein junges Mädchen. Joyce Kibby schüttelt traurig den Kopf. – Früher ging es hier immer so fröhlich zu. Als mein Keith … Sie schluckt und tupft sich mit einem Taschentuch die Augen.
Ich fühle ein schreckliches Verlangen, ein schmerzliches Bedürfnis, zu helfen … oder will ich mich ihr nur unentbehrlich machen, damit ich mich an Kibbys Siechtum weiden kann? Doch da bin ich schon an der Seite seiner Mutter, hocke auf der Lehne ihres Stuhls und habe den Arm um ihre schmalen, eingefallenen Schultern gelegt. – Na, na, na, ist ja schon gut … murmele ich, obwohl mich ihre Körperhaltung irritiert, so total zusammengesackt. Am liebsten würde ich ihr mein Knie in den Rücken stemmen und ihre Schultern nach hinten ziehen. Sie verströmt einen komischen Geruch, und ich frage mich, wie es um ihre körperliche Hygiene bestellt ist, dann stehe ich auf und reiße mich los.
– Sie sind so freundlich, Mr Skinner, schluchzt sie in voller Überzeugung.
Ich muss nun an meine eigene Mum denken, wie fremd wir uns geworden sind, dass mein Bedürfnis, mehr über meinen Vater zu erfahren, uns auseinanderbringt. Aber ich werde nicht noch mal hingehen und sie besuchen, nicht, bevor ich nicht meinen Dad getroffen habe.
– Es tut mir Leid, aber ich sollte nun wirklich wieder zurück ins Büro.
– Selbstverständlich … Joyce Kibby lässt meine Hand endlich los. – Ich weiß Ihr Kommen wirklich zu schätzen. Haben Sie vielen, vielen Dank, Mr Skinner.
– Danny, bitte, sage ich mit so viel Überzeugung und Nachdruck, dass mir angst und bange wird.
So verlasse ich dann das Häuschen der Kibbys in der Featherhall-Siedlung in Corstorphine verdrießlich und beunruhigt, dabei hatte es die Stunde meines Triumphs werden sollen. Dennoch, Kibby ist Geschichte: Den wird keiner mehr angucken, die verfettete, kranke Fotze, lebt allein zu Haus bei seiner Mutter. Hat noch nie im Leben gefickt und ist komplett arbeitsunfähig. Alles wegen mir! Fall erledigt!
Trotzdem spüre ich eine seltsame Niedergeschlagenheit. Alles verändert sich. Kibby kann mir das nicht antun! Wie soll ich den Kontakt halten, um mitzuerleben, was meine Macht bei ihm bewirkt? Ich … ich kann ihn nicht verlieren. Ich habe doch sonst schon alles verloren, und einen Dad hab ich gar nicht erst gehabt. Aus irgendeinem Grund darf ich Brian Kibby nicht verlieren! Aber er wird das doch bestimmt nicht durchziehen und den Job schmeißen! Das ist doch alles, was er hat! Er ist alles, was ich habe …
Nein, wir wollen hoffen, er überlegt es sich noch mal, und vielleicht helfe ich ein bisschen nach, indem ich mir ein paar ruhige Abende mache. Im Filmhouse startet eine Fellini-Retrospektive, außerdem muss ich mir endlich mal die gesammelten Gedichte von MacDiarmid vorknöpfen, die ich letztes Jahr gekauft hab; eine Schande für einen Schotten, den Scheiß nicht mal in Grundzügen zu kennen. Ich hatte die Lust verloren, als ich rausfand, dass der Junge eigentlich ganz anders hieß. Fotzen, die ihren Namen ändern, haben immer was Dubioses. Aye, und ich hol mir vielleicht ein paar neue DVD s, gönne dem armen Brian Kibby eine Atempause.
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Private Festivitäten
Der Sommer ist verstrichen, das Festival kam und ging. Wie so viele Einheimische hasste es auch Skinner, wenn es losging.
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