Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)
dir angetan hätte, es war nicht mal annähernd genug, sagte er höhnisch und schlabberte seinen Drink.
Noch als er seine Beschimpfung zischte, erkannte er plötzlich, dass er paradoxerweise gar nichts mehr gegen Kibby hatte.
Kibby is nich mehr die übereifrige, lästige kleine Arschkrampe von früher. Er ist sarkastisch und verbittert und rachsüchtig genau wie … nein … nein …
Nein …
Fick dich doch, Kibby, ich hab ein Flugzeug zu erwischen.
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Das Tagebuch
Als wir aus dem Taxi gestiegen und wieder im Haus sind, lasse ich Mum angeschickert vor dem Fernseher sitzen. Ich hab sie noch nie so gesehen. Sie labert und labert von meinem Vater, erzählt mir, was er für ein guter Mann war, dann redet sie über Danny, dass er ein guter Junge sei, und wie toll es ist, dass er und Brian jetzt Freunde sind.
Das bezweifle ich sehr, und es war mir gar nicht recht, sie zusammen allein zu lassen, weil da irgendwas am Kochen war, aber sie haben darauf bestanden, und ich musste Mum wirklich nach Hause schaffen.
Jetzt ist sie wieder von meinem Dad dran: wie sehr sie ihn geliebt hat. Dann dreht sie sich zu mir um und hat beinahe etwas Wütendes in der Stimme, als sie sagt: – Du warst natürlich immer sein Liebling. Väter und Töchter, Mütter und Söhne, wie sie immer sagen. Sie hustet, und ihre Augen weiten sich in fanatischem Eifer. – Aber ich liebe dich, Caroline, ich liebe dich so sehr. Das weißt du doch, oder?
– Mum, natürlich weiß ich das …
Sie steht auf, kommt herübergewankt und nimmt mich in den Arm. Ihr Griff ist erstaunlich kräftig, und sie klammert sich verzweifelt an mich, lässt gar nicht mehr los. – Mein kleines Mädchen, mein süßes kleines Mädchen, sagt sie tränenerstickt. Ihre Zuckungen schütteln mich. Ich streichle die colorierten Locken ihres Haars und sehe mit mürrischer Faszination über den Schläfen das Grau am Haaransatz nachwachsen.
Aber es wird mir unangenehm, und ich flüstere ihr ins Ohr: – Mum, ich muss mal kurz nach oben. Ich hab versprochen, mir da was anzusehen. Sie glotzt mich für eine Sekunde ganz gespannt an, also ergänze ich: – Für Brian, was sie zu beschwichtigen scheint, und sie lockert ihren Griff.
– Brian …, wiederholt sie leise, und beginnt irgendwas zu murmeln, ein Gebet oder irgendeinen Bibelvers, als ich das Zimmer verlasse.
Ich gehe nach oben und ziehe kräftig an dem Stock mit dem Haken dran, der die Falltür öffnet und die Aluminiumleiter herauslässt. Ich ziehe sie nach unten und steige hoch. Die Schraube, mit der sie befestigt ist, hat sich gelockert, und sie klappert gefährlich unter meinem Gewicht. Ich bin erleichtert, als ich oben angekommen bin und auf den Dachboden trete.
Ich schalte das Licht ein, und dann sehe ich, dass Brian hier wirklich alles zerstört hat. Es sieht aus, als wäre die Modellstadt zerbombt worden. Ich weiß nicht, ob sie wieder aufgebaut werden kann; ich würde ja sagen, alles, was mal gebaut wurde, kann auch wieder aufgebaut werden, aber es wird eine Heidenarbeit. Ich bezweifle, dass Brian dem im Moment gewachsen ist. Ein Teil von mir denkt, ich sollte ihm meine Hilfe anbieten, dann überlege ich mir, wie lächerlich das ist. Ich würde nicht wissen, wo ich anfangen soll.
Ich sichte das Chaos, sehe mir die kaputten Berge an, die Dad aus dem vielen Pappmaschee gemacht hat. Ich erinnere mich, wie ich ihm geholfen habe, es zusammenzurühren, in dieser großen orangen Waschschüssel, die immer unter der Spüle stand. Also habe ich doch an alldem mitgewirkt, mehr, als mir bewusst war. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, haben wir es alle zusammen gemacht. Ich war noch ein kleines Mädchen, aber ich erinnere mich, wie begeistert ich war, dass ich mithelfen durfte. Wann habe ich angefangen, all die guten Dinge in unserem Leben wegzustreichen? Wann hatten diese schönen Erinnerungen an familiäre Gemeinsamkeiten und freudige Momente angefangen, für mich uncool und peinlich zu werden?
Ich versuche, zwei Teile eines durchgebrochenen Bergs wieder zusammenzupappen. Irgendwas im Inneren fällt raus und plumpst auf den Boden. Ich halte es zuerst für eine hölzerne Verstrebung oder so, irgendeinen Teil des Unterbaus, aber dann sehe ich so was wie einen dicken Schreibtischkalender auf dem Boden liegen. Aber es ist kein Kalender – es ist ein Notizbuch, und alles, was drinsteht, ist in der Handschrift von Dad. Auf der Innenseite des Deckblatts ist ein Zettel befestigt.
Eines Tages wird jemand dieses Notizbuch
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