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Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Titel: Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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verbrannte. Der Kessel kippte um, und ich rannte aus der Küche, ohne mich noch mal umzusehen. Ein Portier sah mich, ich stieß ihn beiseite und murmelte irgendwas von einem Unfall. Ich wusste damals noch nicht mal den richtigen Namen des Jungen. Ich habe danach erfahren, dass er Donnie Alexander hieß. Ich ging nach Hause, und als ich aufwachte, kam es mir wie ein Traum vor. Aber meine verbrannten Hände sagten mir, dass es keiner war. Der Junge hatte schreckliche Verbrennungen im Gesicht und war schwer entstellt. Aus irgendeinem Grund hat er mich nie verpfiffen, hat gesagt, es wäre ein Unfall gewesen. Ich konnte mit meinen Händen nicht zum Arzt gehen. Ich hatte wochenlang Schmerzen; Gott weiß, wie es für den armen Donnie gewesen ist.
    Er verriet nichts, aber Bev wusste, dass ich es gewesen war. Man musste kein Genie sein, um darauf zu kommen. Sie wollte mich nicht sehen, auch nicht, als der Geburtstermin kam. Hat mir gedroht, der Polizei zu sagen, was ich getan hatte, falls ich je in ihre Nähe käme. Und das war kein Witz. Beverly war ein sehr stures Mädchen. Ich liebte sie, aber sie liebte Donnie. Wer konnte es ihr verdenken? Ich war ewig betrunken, und mit Säufern ist es eben so, dass man sie irgendwann sattbekommt. Sie war vor mir mit ihm zusammen; sie hatten sich nur furchtbar gestritten. Manchmal denke ich, sie hat mich nur benutzt, um es ihm heimzuzahlen. Ich hätte alles für sie getan.
    Dann kam das Kleine. Ein Junge. Ich weiß, dass er mein Sohn war, ich weiß es einfach.
    Aber am schlimmsten war es, als ich von Donnie Alexanders Tod hörte. Ich hatte ihn entstellt. Er zog nach Newcastle, um dort in einem kleinen Hotel zu arbeiten. Dann hörte ich, dass er tot war. Er hatte sich in seinem möblierten Zimmer das Leben genommen. Es war alles meine Schuld; ich habe den Mann praktisch ermordet.
    Es ist wichtig für mich, das alles so ehrlich wie nur möglich niederzuschreiben.
    Ich ging zu den Anonymen Alkoholikern und wurde trocken, durch sie fing ich auch an, zur Kirche zu gehen. Ich war nie religiös, eigentlich das Gegenteil, und um ehrlich zu sein, bin ich immer noch skeptisch, aber es gab mir die Stärke, ohne Alkohol mit dem Leben fertig zu werden. Ich engagierte mich nicht mehr politisch, obwohl ich Gewerkschaftsmitglied blieb. Ich brach den Kontakt zu allen Kumpels von früher ab. Dann machte ich eine Umschulung bei British Rail, erst zum Stellwärter, dann zum Lokomotivführer. Ich liebte den Job, die Einsamkeit und ganz besonders die Schönheit der West-Highland-Strecke.
    Über die Kirchengemeinde lernte ich Joyce kennen und baute mir mit ihr ein neues Leben auf. Wir bekamen zwei wundervolle Kinder. Danach habe ich nur noch bei einigen wenigen Gelegenheiten Alkohol angerührt. Bei diesen Rückfällen sah ich mein altes Selbst: verbittert, sarkastisch, aggressiv und brutal. Unter Alkoholeinfluss war ich ein Psychopath.
    Ich fühlte mich furchtbar wegen Beverlys Jungen, aber ich sagte mir, dass er ohne mich besser dran war. Sie hatte einen Friseursalon aufgemacht, und er schien gut zu laufen. Ich habe sie einmal, Jahre später, in ihrem Laden besucht. Ich wollte sehen, ob ich etwas für den Jungen tun konnte. Aber Bev sagte mir, sie wollte nichts mit mir zu tun haben, und ich sollte niemals auch nur in die Nähe des Jungen kommen; Daniel nannte sie ihn.
    Ich musste ihre Wünsche respektieren. Ich sah ihm manchmal beim Fußballspielen zu, passte aber auf, dass sie mich nicht entdeckte. Es brach mir jedes Mal beinahe das Herz, wenn ich sah, wie die anderen Väter Wirbel um ihre Söhne machten. Vielleicht war es nur eine Projektion meines eigenen Schmerzes, aber es kam mir oft so vor, als wäre er ein einsamer, orientierungsloser kleiner Junge. Ich erinnere mich, wie er einmal in einem Spiel ein Tor schoss, als sie nicht mit war – da ging ich anschließend zu ihm hin und sagte: »Gut gespielt, Junge.« Ich hatte einen dicken Kloß im Hals, als er mir in die Augen sah, ich konnte kaum die Tränen zurückhalten. Ich musste mich umdrehen und gehen. Es waren die einzigen Worte, die ich je zu ihm gesagt habe, obwohl es in meinen Gedanken Tausende waren. Aber am Ende musste ich loslassen, weil ich an meinen Brian und meine Caroline denken musste und an Joyce natürlich. Ich musste versuchen, mich ihnen zu widmen, so gut ich konnte.
    Ich erzählte alles Joyce. Ich glaube, dass das ein Fehler war. Man sagt, die Wahrheit macht einen frei, aber ich weiß jetzt, dass man sich damit nur selbst was vormacht.

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