Die Beute
Freundinnen längst tot. Und ich werde nicht unten an der Straße auf diese Nachricht warten. Nicht noch einmal, kapiert?«
Nicht noch einmal? Was zum Teufel hatte sie nur erlebt? Egal, was es war, es machte sie zu einer rasenden Bestie. Und in dem Augenblick schämte er sich für seine Angst.
Sie zeigte mit dem Finger auf ihn. »Du hast ja keine Ahnung, was ich durchgemacht habe. Ich bin nicht wie die meisten Menschen. Und es ist mir egal, wie sehr du dir wünschst, dass ich in Sicherheit bin. Das letzte Mal, als ich losgerannt bin, um Hilfe zu holen, wurde meine beste Freundin ermordet. Diesmal werde ich nicht gehen. Wenn Menschen wegen dir ums Leben gekommen sind, dann solltest du es diesmal besser machen, Matt. Ich habe zwar keine Ahnung, ob das die richtige Entscheidung ist, aber es ist die einzige, mit der ich leben kann. Also vergiss es, und sag mir verdammt noch mal, was wir jetzt tun sollen.«
Mann, sie kam wirklich von einem anderen Stern. Sie hatte mehr Mumm als die meisten Cops, die er kannte, und sie war drauf und dran, ihm einen Spiegel vorzuhalten. Sie ließ ihm keine Wahl, und sie akzeptierte keine Ausreden. »Okay. Beschreib mir die Scheune.«
Über ihren Köpfen schmissen sich Kane und Travis abwechselnd Obszönitäten an den Kopf, während Jodie ihm alles über das Gebäude erzählte, was sie wusste. Vor sieben Jahren hatte es aus einem einzigen großen Raum bestanden, also schilderte sie ihm die neue Aufteilung. Sie hatte ein großartiges Erinnerungsvermögen, wusste genau, welche Details wichtig waren – in welche Richtung die Türen aufgingen, was in den Schränken war, Orte, an denen man sich oder jemand anderen verstecken konnte.
»Hast du schon mal darüber nachgedacht, zur Polizei zu gehen?«, fragte er.
»Ich weiß genau, wie deren Job läuft. Nein danke.« Sie zögerte. »Hör zu, Matt. Ich will nur meine Freundinnen rausholen. Ich weiß, du willst Gerechtigkeit für das junge Mädchen. Ich auch. Das will ich für uns alle. Aber ich denke, wir sollten Kane und Travis das ausbuddeln lassen, weshalb sie hergekommen sind, und dann verschwinden. Wir müssen sie von meinen Freundinnen fernhalten und es der Polizei überlassen, sie zu suchen, sobald wir in Sicherheit sind.«
Matt dachte an die Löcher unter der Scheune und fragte sich, was die Anderson-Brüder noch vergraben hatten. Tina, so viel war sicher. Eine große Metallkiste. Was noch? Auch er wollte Jodies Freundinnen retten. Selbstverständlich. Aber er würde sich nicht auf eine Straßensperre der Polizei verlassen, um Travis und Kane zu finden. Sie hatten fast ihr ganzes Leben in dieser Gegend verbracht und wussten, welchen Weg sie nehmen mussten, um nicht erwischt zu werden. Nein, Matt war wild entschlossen, sie diesmal festzunageln. »Du hast vollkommen recht.«
Drei Minuten später stand Jodie auf und wärmte ihre Beine zum Sprint auf.
»Keine Heldentaten. So, wie wir es besprochen haben, okay? Und dann kommst du sofort zurück.«
»Das gilt auch für dich.« Sie kniff die Augen zusammen und versuchte ernst auszusehen, doch er sah die Angst in ihrem Blick. »Spiel nicht den Helden.«
»Auf keinen Fall«, versprach er. Sie stand direkt vor ihm und streckte sich. Er hätte sie am liebsten umarmt und sie wissen lassen, wie dankbar er ihr war, dass sie ihn einbezog, für den Fall, dass er sie nicht wiedersehen würde. Doch stattdessen musterte er sie schweigend, wie sie mit ihrem schmutzigen Pulli, den flippigen kurzen Haaren und den großen dunklen Augen vor ihm stand.
Sie ging einen Schritt auf ihn zu und küsste ihn. Das war kein Schmatzer auf die Wange, aber auch nicht lang und sehnsuchtsvoll, wie er sich den ersten Kuss ausgemalt hätte. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und küsste ihn schnell, heftig und verzweifelt. Ihre Finger waren eiskalt, ihr Mund heiß. Eine sensationelle Kombination! Er legte seine Arme um ihre Hüften, und als sie sich ihm entziehen wollte, drückte er sie an sich und küsste sie zurück. Er ließ sich etwas mehr Zeit als sie, küsste sie aber ebenso heftig. Für einen ersten Kuss war er verdammt gut.
Schließlich löste sie sich von ihm und sah ihn noch einmal an. Sie lächelte unsicher. »Vergiss nicht, ich habe dir ein Steak versprochen.«
»Du kochst. Ich esse. Das ist der Deal. Jetzt halt den Mund und lauf.« Er wandte sich ab, damit er nicht seine Meinung änderte und sie doch noch aufhielt, und blickte dann über die Schulter zurück, als sie im dunklen Gebüsch
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