Die Beute
Mädchen? Dann waren es also mehrere? »Ihr habt da unten was verbuddelt.«
Er stieß ihren Kopf noch ein wenig fester gegen den Balken. »Nur eine Absicherung habe ich da unten vergraben. Falls Kane so durchknallt, dass ich für immer wegmuss. Ich habe noch nie jemanden umgebracht.«
Wut stieg in Jodie auf. Er wusste von den Mädchen und dass sein Bruder sie getötet hatte. Travis war mitschuldig. »Du hast auf Louise geschossen.«
»Das war deine Schuld. Deine und Wisemans. Ich wollte sie nur erschrecken.«
Nein, den Schuh zog sie sich nicht an. Sie hatte es ein für alle mal satt, für die Gräueltaten anderer die Verantwortung zu übernehmen. »Du hast Louise eine geladene Waffe an den Kopf gehalten. Du hast abgedrückt. Es ist deine Schuld. Du hast auf sie geschossen.«
Travis drückte sie heftig gegen den Balken. »Hör zu, du Schlampe«, knurrte er, und sein bitterer Mundgeruch strich über ihre Wange. »Die Bullen haben nichts gegen mich in der Hand, und so soll es auch bleiben. Ich und mein Bruder werden deshalb mein Zeug holen und uns verpissen, wo uns niemand findet. Und wenn du endlich deine verdammte Schnauze hältst, wie ich dir gesagt habe, und wenigstens zehn Minuten dein Geschrei sein lässt, werden es nicht die letzten zehn Minuten deines Lebens sein. Kapiert?«
Jodie rührte sich nicht. Er wollte sie verschonen? Wollte er das damit sagen?
Seine Hand fuhr zu ihrem Kopf hinauf und riss ihn zu sich herum. »Also halt endlich deine verdammte Schnauze.«
Etwas Zartes, Zerbrechliches regte sich tief in ihr.
Hoffnung.
Und das machte ihr verdammt Angst.
Travis bot an, ihr Leben zu verschonen. Ihr Leben, das von Hannah und von Louise. Sie musste nur den Mund halten. Sich ihren Ärger verkneifen und den Hass runterschlucken.
Jede Faser ihres Körpers wollte ihm glauben, doch das hieß auch, ihm zu vertrauen. Dem Mann, der auf Louise geschossen hatte und dachte, das zählte nicht, weil Louise nicht tot war. Der die Morde seines Bruders billigend in Kauf nahm. Der Jodie und ihre Freundinnen als Köder benutzt hatte.
Wenn er log, wenn sie Hass durch Hoffnung ersetzte und sich dann herausstellte, dass es irgendein sadistischer Scherz war, würde sie daran zerbrechen. Wenn sie gefügig war und es ihnen leicht machte und sie dann trotzdem umgebracht würde, würde sie genau den Tod erleiden, vor dem sie sich immer gefürchtet hatte – wehrlos und schreiend.
Leise spuckte sie ihm die Worte ins Gesicht. »Du Arschloch.«
Er kniff die Augen zusammen, es war nur ein kurzes Zucken mit den Augenlidern. »Hör zu, verdammte Scheiße, das Schreien macht ihn an. Ich sag euch doch schon die ganze Nacht, dass ihr die Schnauze halten sollt.«
»Aber du hast zu deinem Bruder gesagt, dass er es die ganze verdammte Nacht mit uns treiben kann.«
Er änderte den Griff an ihrem Kopf, packte sie an einem Haarschopf und zog fest daran. »Ich habe ihn euch bis jetzt vom Leib gehalten, aber wenn er da unten fertig ist, werd ich ihn nicht mehr zurückhalten können, also halt besser dein Maul. Er liebt Kämpfernaturen. Und wenn sie schreien, macht ihn das richtig an. Solange sie schreien, macht er weiter.«
Er hörte zu reden auf und biss die Lippen zusammen. Die Muskeln in seinem Kiefer spannten sich, sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. Jodie kniff die Augen zusammen in Erwartung, dass er ihr ins Gesicht spuckte. Doch als nichts kam, öffnete sie die Augen wieder. Der Ausdruck auf seinem Gesicht verschlug ihr den Atem.
Es war Abscheu.
Travis verabscheute seinen Bruder.
Wieder regte sich Hoffnung in ihr. Vielleicht sagte Travis ja die Wahrheit. Vielleicht hatten sie tatsächlich eine Chance.
Er ließ ihren Kopf los, warf einen Blick über die Schulter zum Loch. »Du und deine Freundinnen, ihr seid mir scheißegal. Er kann euch ruhig aufschlitzen, das interessiert mich nicht. Ich will nur von hier verschwinden, ohne dass mein Name auf einer dieser Leichen steht. Dafür wird man mich nicht rankriegen. Bestimmt nicht.«
Er ließ sie los, lief im Kreis und fuhr sich mit beiden Händen durch das blutverfilzte Haar. »Herrgott. Und wir wollten einfach nur reingehen, mein Zeug holen und abhauen. Verschwinden.« Er sah sie an. »Ich musste ihn mitnehmen«, sagte er fast entschuldigend. »Kane ist ein Flachwichser. Meine Güte, er ist nach dem Mord an John Kruger einfach in den Pub gegangen. Die Cops hätten ihn fassen können, noch bevor ich mein Zeug geholt hatte. Und dann hätten sie auch nach mir gefahndet. Das
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