Die Beute
all den Medikamenten, die man ihr verabreicht hatte. Ihr Mund war trocken, sie schluckte und betrachtete ihre Verletzungen.
Nähte auf ihrem Oberarm, eine am Hals. Ihre Hand war verbunden. Sie hatte ein paar leichtere Schrammen im Gesicht, einige an ihrem Schienbein. Blasen an den Füßen, gezerrte Muskeln. Gar nicht so schlimm, wenn man es genau nahm.
»Oh, du bist wach!«, sagte Hannah.
Jodie drehte den Kopf auf dem Kissen. Es schmerzte. Sie sah Hannah und Corrine an, die neben ihr auf einem Bett saßen. Das Krankenhaus hatte ein Vierbettzimmer für sie geräumt, damit sie die Nacht dort gemeinsam verbringen konnten.
»Wie geht es Lou?« Jodie sah sich im Zimmer um und zu den Vorhängen, die ein Bett verdeckten.
»Sie schläft noch«, sagte Hannah.
Lou und Hannah hatten im Gebüsch gewartet, bis die Schießerei aufgehört hatte, dann waren sie vorsichtig herausgekommen. Jodie hatte sie umarmt, mit ihnen geweint, doch ihre Fragen nach dem, was passiert war, hatte sie unbeantwortet gelassen. Ein Mann war tot, ein weiterer war bewusstlos, sie und Matt bluteten – alles, was sie herausgebracht hatte, war, ihnen zu sagen, dass sie am Leben war, es ihr so weit gut ging und endlich alles vorbei war. In der Zwischenzeit hatte Matt Kane an Händen und Füßen gefesselt und ihn mit dem Gesicht voran im Dreck neben seinem Bruder liegen lassen, den er ermordet hatte. Fünfzehn Minuten später waren mehrere Streifenwagen in der Einfahrt aufgetaucht. Corrine hatte es geschafft, sich ihren Weg durch das dunkle Gebüsch bis zur Straße zu bahnen und einen Notruf abzusetzen.
Jodie hatte völlig benommen und unter Schock auf den Stufen vor der Scheune gesessen, während die Polizisten in die umliegenden Hügel geschwärmt waren. Sie hatte vor Erleichterung geweint, als Lou und Hannah in einen Krankenwagen verfrachtet wurden. Kane war hingegen auf einer Liege in einem anderen Wagen abtransportiert worden. Doch sie fühlte nur Leere. Matt war nicht mitgefahren. Er hatte darauf bestanden zu bleiben, bis Jodie bei Corrine im Cottage war. Offenbar hatte er eine Art Ehrenkodex, der ihm verbot, einen Tatort vor den Geiseln zu verlassen. Dagegen war nichts einzuwenden.
Es war bereits nach Mitternacht, als sie und Corrine endlich nach vierzigminütiger Fahrt im Krankenwagen im nächstgelegenen Krankenhaus ankamen. Louise war bereits im OP , Matt wartete, bis er an der Reihe war, und obwohl es bereits spät war, hingen zahllose Schaulustige herum. Angehörige, Polizei, Reporter, Kamerateams und Fotografen. Sie sehnte sich nach Adam und Isabelle, wollte ihre Kinder umarmen, nachdem sie schon gedacht hatte, sie würde sie nie wiedersehen, doch als sie mit James telefonierte, hatte sie ihn gebeten, die Kinder doch nicht vorbeizubringen. Sie hatte im Spiegel einen Blick auf ihr Gesicht geworfen und wollte sie nicht noch mehr beunruhigen.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Hannah, während sie Jodie ein paar Kissen in den Rücken stopfte und ihr half, sich aufzusetzen.
»Etwas lädiert, aber lebendig und heilfroh, dass ihr hier bei mir sitzt.« Jodie tastete vorsichtig die Wunde an ihrem Auge ab. »Ehrlich gesagt, heilfroh ist nicht das richtige Wort.«
Hannah und Corrine lächelten, schienen sich jedoch unwohl zu fühlen.
»Jodie, ist wirklich alles in Ordnung?«, fragte Hannah plötzlich. »Dein Gesicht und deine …« Sie legte ihre Hand an ihren Hals und sagte leise. »Waren die das?«
Jodie blickte auf den Verband an ihrem Arm. Die Wunde war nicht tief, sie würde schnell verheilen. Doch dafür, was in ihr vorging, gab es keinen Verband. Sie hatte das Gefühl, als habe die Wut sie innerlich verbrannt und sie rau und erzürnt zurückgelassen. »Das war Kane. Aber ich habe ihm Schlimmeres angetan.«
»Er liegt hier im Krankenhaus«, sagte Corrine. »Auf einem anderen Stockwerk.«
»Er wird von der Polizei bewacht«, sagte Hannah.
Jodie hob eine Augenbraue. »Zu seinem oder unserem Schutz?«
Hannah lächelte sie wieder unsicher an.
Dann sagte Corrine. »Reporter wollen mit uns reden. Sie haben mich heute in den Morgennachrichten eine Heldin genannt. Na ja, sie haben nicht meinen Namen gesagt. Sie haben die gemeint, die geflohen und zur Straße runtergelaufen ist, um Hilfe zu holen.«
»Du solltest mit ihnen reden«, sagte Jodie. »Du warst wirklich mutig, die Leute sollten das erfahren. Und später wird es gut sein, wenn du es dir immer wieder ins Gedächtnis rufst.«
Corrine kniff einen Augenblick die Augen zusammen. »Ich
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