Die Beute
beiden Fenster und die Tür hatte. Sie schob den Wagenheber darunter und sah kurz hinter die Vorhänge, bevor sie unter die Decke kroch. Sie brauchte lange, bis sie in einen unruhigen Schlaf fiel. In ihrem Kopf drehte sich alles vor Alkohol und Angst. Sie träumte davon, stark und athletisch zu sein und jede Bedrohung mit bloßen Händen abwehren zu können, doch gleich darauf war sie aggressiv und wahnsinnig und wurde von Lou, Hannah und Corrine ausgelacht.
Irgendwann nach zwei hörte sie die Mädels im Flur herumlaufen. Nur kurze Zeit später kletterte Louise in das andere Bett im Zimmer.
Noch später, als die Scheune bereits dunkel und still dalag, wachte Jodie erneut auf. In der Ferne hörte sie ein Donnern und Grollen, wie Sturmwolken, die sich über dem Hügel zusammenbrauten. Doch dann wurde es lauter. Regelmäßiger, mechanischer. Dann klang es plötzlich gar nicht mehr wie ein Donnern, sondern wie das heisere Rumpeln eines großen, aufgemotzten Autos oder eines Achtzylindermotors. So wie die, denen die Jungs in der Schule nachgeifern, wenn ein älterer Freund damit vorfährt.
Sie sah auf die Uhr ihres Handys, das neben dem Bett lag – halb vier –, blieb mit weit geöffneten Augen im Bett liegen und lauschte in die Dunkelheit. Das Rumpeln kam näher. Sehr nah. So nah, als wäre es direkt vor der Scheune. Sie setzte sich auf, ignorierte die plötzliche Kälte, verhielt sich ganz ruhig und spitzte die Ohren.
Ja, das musste ein Auto sein. Oder irgendein Fahrzeug. Es war groß und klang kehlig. Und es stand draußen vor dem Wohnzimmer.
Nein, es fuhr hinten an der Scheune entlang, dann an der Küche und am Badezimmer vorbei zur Diele. Sie hörte sich selbst so laut atmen, dass sie kaum die genaue Position ausmachen konnte. Ihr kam es vor, als machte das Fahrzeug eine Pause und als schalte jemand in einen anderen Gang, als es um die Scheune fuhr. Sie hielt den Atem an und riss in der Dunkelheit noch weiter die Augen auf.
Es fuhr um die Ecke, plötzlich wurde das Geräusch deutlicher – es war ein tiefes Brummen. Jodie sah auf die Wand und folgte mit dem Blick dem Geräusch, als es langsam an ihrem Schlafzimmer vorbeizog. Kein Licht, keine Stimmen. Nur ein kehliges Rumpeln. Dann, als das Fahrzeug über den Kiesplatz vor der Haustür fuhr, war ein sanftes Knacken zu hören.
Jodie stand neben dem Bett, ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Sie wusste nicht mehr, wann sie aufgestanden und wann sie den Wagenheber genommen hatte, doch irgendwann musste sie es wohl getan haben, denn ihr Arm fing unter dem Gewicht zu schmerzen an.
Wer zum Teufel fuhr da um die Scheune herum?
Ihr Mund war trocken. Okay, Jodie, bleib ruhig. Denk nach.
Die Camper? Die Leute mit den seltsamen Lichtern?
Um diese Zeit?
Das ergab doch keinen Sinn. Und genau das machte ihr solche Angst.
Doch am schlimmsten war das bedrohlich ansteigende Dröhnen des Motors, als der Wagen um die Ecke bog und ein zweites Mal um die Scheune herumfuhr.
Unentschlossen tänzelte sie über den Boden. Ihr war kalt, sie hatte Angst, doch gleichzeitig wollte sie sehen, was da draußen los war.
Auf Zehenspitzen ging sie durch den Flur zum Badezimmer und betrat den Wellnessbereich. Ihre Hände zitterten, als sie vorsichtig das Rollo am Fenster hob und hindurchspähte. Das Blut pulsierte in ihren Ohren, als sie die Dunkelheit draußen vor dem Fenster sah.
Sie betete, dass es weg –, direkt in die Büsche fahren würde. Doch weit gefehlt. Es blieb stehen, schaltete einen Gang runter und bog um die Ecke. Auf Zehenspitzen ging sie durch den Flur zurück ins Schlafzimmer, drückte sich an die Wand neben dem Fenster, linste durch den weißen Vorhang und wartete, bis es kam.
Das Fahrzeug war groß, bullig und dunkel. Mehr konnte sie nicht erkennen, als es langsam ein paar Meter vor der Veranda vorbeizog.
Scheiße, Scheiße. War die Haustür zu? Sie hatte sie verriegelt, als Hannah reingekommen war, aber vielleicht war danach ja noch jemand rausgegangen. Und was war mit der hinteren Seite? Sie hatte nicht alle Fenster überprüft. Waren da Holztafeln oder Fenster und Türen? Aus Panzerglas oder Glas, das man problemlos mit einem Schraubenschlüssel einschlagen konnte?
Schnell rannte sie mit eiskalten Zehen zum Wohnzimmer. Die Vorhänge waren alle geschlossen. Sie raste zur Eingangstür, prüfte das Schloss – eines befand sich unter der Klinke, das andere darüber. Beide waren zu. Sie presste ein Ohr gegen das solide Holz, hörte den Wagen auf dem Kies
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