Die Beute
gesprungen und direkt zu den Krugers gefahren. Doch das war vor dem Vorfall in der Somerset Street und der Sache mit den Geiseln, die er völlig versaut hatte. Das war bevor drei unschuldige Menschen gestorben waren und ihm bewiesen hatten, dass sein Instinkt ihn doch manchmal täuschte.
Ihr Sohn hatte eine Waffe gehabt. Als er wegrannte, hatte Matt die Familie angewiesen, im Haus zu bleiben, weil er dachte, dass sie dort sicher seien. Und wieder gingen Schüsse in seinem Kopf los. Der erste von zweien. Der schnelle Doppelschuss, den er vor dem Haus gehört hatte. Die drei anderen Schüsse waren in seiner Erinnerung überdeckt von Schreien und entsetzlichem, hysterischem Gejammer. Und von seiner eigenen Verzweiflung, zu den Leuten zu kommen.
Er rieb sein Knie. Er hätte sie rausholen müssen. Er hätte den Ort absichern müssen. Er hätte den Sprung vom Balkon wagen, den Sohn abfangen und einen Schuss abfeuern müssen, bevor der Hurensohn zum Haus zurückging. Doch er hatte die Höhe falsch eingeschätzt, sein Knie verletzt und damit dieser Familie einen Albtraum beschert. Dass er den Irren später getötet hatte, hatte Matts Fehler auch nicht wiedergutgemacht. Ein Mann, seine Frau und ihre halbwüchsige Tochter waren trotzdem tot.
Er nahm die Gummibäume zu beiden Seiten der Straße wahr und fuhr schneller. Er tat weder der Familie Kruger noch Johns Familie noch den Ermittlern einen Gefallen, wenn er wieder Polizist würde. Sie brauchten jemanden, dem sie vertrauen konnten. Und dafür konnte Matt nicht garantieren. Nicht mehr.
»Scheiße! Scheiße!«, stöhnte er.
Er klammerte sich an das Lenkrad. Er war der Junge, der immer zu Hilfe eilte, der immer wusste, was in einer schwierigen Situation zu tun war. Er hatte Gespür, dachte er. Darum war er Polizist geworden. Um sein Gespür für einen guten Zweck zu nutzen. Sein Selbstvertrauen hatte auch seine Vorgesetzten überzeugt. Er war schnell zur Mordkommission versetzt und der polizeitaktischen Abteilung zugeteilt worden. Und jetzt spielte es keine Rolle mehr, wie viele Fortbildungskurse er gemacht hatte oder dass sein Instinkt ihm zuschrie, was zu unternehmen – irgendwas … Er traute sich selbst nicht mehr.
Er sah die Kurve vor sich. Es war eine enge Linkskurve, vor der man bremsen musste, damit man sie sicher meisterte. Wenn er noch weiter seinen Fuß aufs Gaspedal drückte … in diesem Wagen, bei dieser Geschwindigkeit …
Das stoppte die Schüsse in seinem Kopf und verhinderte, dass er sich weiter einbildete, was für ein verdammter Held er doch war.
Matt, wie schlimm ist es? Schlimm genug, um die Bestie zu Schrott zu fahren? Schlimm genug, um …
Sein Handy klingelte mit den ersten Noten von Mr Bojangles.
Es war sein Vater. Der alte Mann liebte diesen Song.
Matt drückte den Fuß auf die Bremse, zu fest für die Kurve und die Geschwindigkeit, die er draufhatte. Die Reifen quietschten, das Heck brach aus. Die Landschaft schoss in der falschen Richtung an ihm vorbei, er wusste, dass er sich um sich selbst drehte – eine volle Drehung, dann noch eine halbe, dann blieb der Wagen endlich am Straßenrand stehen.
Er blieb einen Augenblick in der Staubwolke sitzen, sein Herz pochte heftig, Schmach überkam ihn. Sein Dad hatte es nicht verdient, dass ein Polizist an seine Tür klopfte und ihm mitteilte, dass sein Sohn sich umgebracht hatte. Matt wusste, was das bei einem Mann auslösen konnte. Wie dämlich, überhaupt mit dem Gedanken zu spielen.
Mr Bojangles’ Klingelton hatte die letzten Noten erreicht. Zitternd nahm er den Anruf an. »Hi, Dad.«
»Hallo, Matty. Hattet du und Tom eine gute Nacht?«
»Ja, Dad, die Nacht war gut.«
»Alles in Ordnung, mein Sohn? Du klingst ein wenig angeschlagen.«
Matt ließ seinen Kopf auf die Kopfstütze sinken. »Nur ein Kater, sonst nichts. Was gibt’s, Dad?«
»Es geht um den Mazda, den du gestern Abend vorbeigebracht hast. So schlimm ist es nicht. Heute Nachmittag müsste ich ihn fertig haben. Ich habe es mit der Telefonnummer versucht, die du mir aufgeschrieben hast, komme aber nicht durch. Wann wollte die Frau ihn abholen?«
Matt dachte erneut an Jodie, wie sie im Flur des Pubs stand, Anderson auf den Fuß gestiegen war und in die Flucht geschlagen hatte. »Ich habe ihr gesagt, dass wir sie anrufen würden. Gib mir die Nummer, ich versuche es noch mal. Sie wohnt nicht weit von hier. Wenn ich nicht durchkomme, fahre ich kurz rüber.«
Er fand einen Stift und schrieb sich die Nummer auf.
»Bringst
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